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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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an sol- chen Abenden vor dem Ausgehn in seinem Privatanzug unten beim Lif vor ihm stehen blieb, sich noch ein we- nig entschuldigte, während er die Handschuh über die Finger zog und dann durch den Korridor abgieng. Im übrigen wollte ihm Karl mit diesen Vertretungen nur eine Gefälligkeit machen, wie sie ihm gegenüber einem altern Kollegen am Anfang selbstverständlich schien, eine dauernde Einrichtung sollte es nicht werden. Denn ermüdend genug war dieses ewige Fahren im Lif aller- dings und gar in den Abendstunden hatte es fast keine Unterbrechung.
       Bald lernte Karl auch, die kurzen tiefen Verbeugungen machen, die man von den Lifjungen verlangte und das Trinkgeld fieng er im Fluge ab. Es verschwand in seiner Westentasche und niemand hätte nach seinen Mienen sagen können, ob es groß oder klein war. Vor Damen öffnete er die Tür mit einer kleinen Beigabe von Galan- terie und schwang sich in den Aufzug langsam hinter ihnen, die in Sorge um ihre Röcke, Hüte und Behänge zögernder als Männer einzutreten pflegten. Während der Fahrt stand er, weil dies das unauffälligste war, knapp bei der Tür mit dem Rücken zu seinen Fahrgästen und hielt den Griff der Aufzugtüre, um sie im Augenblick der Ankunf plötzlich und doch nicht etwa erschreckend seitwärts weg zu stoßen. Selten nur klopfe ihm einer während der Fahrt auf die Schulter, um irgendeine klei- ne Auskunf zu bekommen, dann drehte er sich eilig um, als habe er es erwartet und gab mit lauter Stimme Ant- wort. Of gab es trotz der vielen Aufzüge, besonders nach Schluß der Teater oder nach Ankunf bestimmter Expreßzüge, ein solches Gedränge, daß er, kaum daß die Gäste oben entlassen waren, wieder hinunterrasen muß- te, um die dort Wartenden aufzunehmen. Er hatte auch die Möglichkeit, durch Ziehen an einem durch den Auf- zugskasten hindurchgehenden Drahtseil, die gewöhnli- che Schnelligkeit zu steigern, allerdings war dies durch die Aufzugsordnung verboten und sollte auch gefährlich sein. Karl tat es auch niemals wenn er mit Passagieren fuhr, aber wenn er sie oben abgesetzt hatte und unten andere warteten, dann kannte er keine Rücksicht, und arbeitete an dem Seil mit starken taktmäßigen Griffen, wie ein Matrose. Er wußte übrigens, daß dies die andern Lifjungen auch taten und er wollte seine Passagiere nicht an andere Jungen verlieren. Einzelne Gäste, die längere Zeit im Hotel wohnten, was hier übrigens ziem- lich gebräuchlich war, zeigten hie und da durch ein Lä- cheln, daß sie Karl als ihren Lifjungen erkannten, Karl nahm diese Freundlichkeit mit ernstem Gesichte aber gerne an. Manchmal, wenn der Verkehr etwas schwächer war, konnte er auch besondere kleine Aufräge anneh- men, z. B. einem Hotelgast, der sich nicht erst in sein Zimmer bemühen wollte, eine im Zimmer vergessene Kleinigkeit zu holen, dann flog er in seinem in solchen Augenblicken ihm besonders vertrauten Aufzug allein hinauf, trat in das fremde Zimmer, wo meistens sonder- bare Dinge, die er nie gesehen hatte, herumlagen oder auf den Kleiderrechen hiengen, fühlte den charakteristi- schen Geruch einer fremden Seife, eines Parfüms, eines Mundwassers und eilte ohne sich im geringsten aufzu- halten mit dem meist trotz undeutlicher Angaben gefun- denen Gegenstand wieder zurück. Of bedauerte er grö- ßere Aufräge nicht übernehmen zu können, da hiefür eigene Diener und Botenjungen bestimmt waren, die ih- re Wege auf Fahrrädern, ja sogar Motorrädern besorg- ten, nur zu Botengängen aus den Zimmern in die Speise- oder Spielsäle konnte sich Karl bei günstiger Gelegenheit verwenden lassen.
       Wenn er nach der zwölfstündigen Arbeitszeit drei Ta- ge um sechs Uhr abends, die nächsten drei Tage um sechs Uhr früh aus der Arbeit kam, war er so müde, daß er geradewegs ohne sich um jemanden zu kümmern in sein Bett gieng. Es lag im gemeinsamen Schlafsaal der Lifjungen, die Frau Oberköchin, deren Einfluß viel- leicht doch nicht so groß war, wie er am ersten Abend geglaubt hatte, hatte sich zwar bemüht, ihm ein eigenes Zimmerchen zu verschaffen und es wäre ihr wohl auch gelungen, aber da Karl sah, welche Schwierigkeiten es machte und wie die Oberköchin öfers mit seinem Vor- gesetzten, jenem so beschäfigten Oberkellner wegen dieser Sache telephonierte, verzichtete er darauf und überzeugte die Oberköchin von dem Ernst seines Ver- zichtes mit dem Hinweis darauf, daß er von den andern Jungen wegen eines nicht eigentlich selbst erarbeiteten Vorzugs

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