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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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und begann die Lederriemen an seinen Beinschienen zu lösen. Jonan runzelte die Stirn, verstand nicht, was er vorhatte. Dann hielt Craymorus die Riemen auch schon in der Hand. Locker fiel seine Hose um die dürren Beine. Ein Soldat drehte den Kopf. Sein Blick weitete sich beinahe erschrocken, dann stieß er den Mann neben sich an.
    »Sieh doch!«, hörte Jonan ihn sagen.
    Ohne Krücken und ohne Schienen trat Craymorus einen Schritt vor, vorsichtig, so wie ein Seiltänzer hoch über dem Boden. Immer mehr Gesichter drehten sich in seine Richtung. Craymorus schien ihre Aufmerksamkeit zu bemerken. Er hob den Kopf und lächelte, machte einen weiteren Schritt, dann noch einen. Der Schmerz, den Jonan für Falten in seinem Gesicht gehalten hatte, verschwand. Es wirkte auf einmal jung und glatt.
    Fremd.
    »Wenn das möglich ist –«, Craymorus breitete die Arme aus, »– dann ist alles möglich!«
    Der Wind wehte seine Worte über den Turm hinaus, vermischte sie mit dem Gebrüll der heranjagenden Nachtschatten und dem Jubel der Soldaten.
    Korvellan ließ die gefesselten Hände sinken. Jonan wandte sich ab.

 
Kapitel 34
     
    Wer nach Westfall reisen möchte, sollte sich bemühen, die Stadt bei Sonnenaufgang zu betreten, wenn die Luft klar ist und die Straßen leer. Gerade Letzteres hilft, Westfall in angenehmer Erinnerung zu behalten.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    Sie hatten einen Bogen geschlagen. Die Stadt – die Stadt, die brennen würde – lag im Westen, die Festung vor ihnen. Sie hatten die Felder angezündet. Die Menschen sollten wissen, dass sie kamen. »Wir müssen uns den Sieg nicht erstehlen«, hatte Schwarzklaue gesagt, als einige die Weisheit dieses Vorschlags angezweifelt hatte. »Wir werden ihn erkämpfen.«
    Danach hatte niemand mehr widersprochen.
    Er stand in einer Senke im Hügel und sah zur Festung. Fahnen wehten auf ihren Türmen. Bis auf eines waren alle Tore geschlossen. Durch das offene drangen Menschen heraus; sie sahen nicht aus wie Krieger, nicht einmal wie Soldaten. Er beachtete sie nicht weiter. Sein Blick richtete sich auf den Turm im Norden.
    »Bist du sicher, dass er es ist?«, fragte Schwarzklaue.
    »Ja.« Sonnenauge war die beste Späherin seines alten Stammes. »Es ist Korvellan. Ich glaube, er ist ein Gefangener.«
    »Natürlich ist er das!« Schwarzklaue trat gegen einen Maulwurfshügel. Dreck spritzte hoch. »Was soll er denn sonst sein?«
    Sonnenauge hob die Schultern. Sie warf Daneel einen kurzen Blick zu, fragte sich vielleicht, wieso er fast ständig an Schwarzklaues Seite zu finden war. Es interessierte Schwarzklaue nicht, was sie dachte. Er wusste, dass er nie einen besseren Freund gehabt hatte.
    »Wieso bist du wütend?«, sagte Daneel. Seine Lippen bewegten sich nicht. »Du trägst keine Schuld an seiner Lage.«
    »Nein, aber ich muss dafür sorgen, dass er da rauskommt.«
    Sonnenauge runzelte die Stirn. Schwarzklaue hatte sich daran gewöhnt, dass niemand Daneel hörte, wenn er zu ihm sprach. Es gefiel ihm.
    »Warum?«, fragte Daneel. »Hast du dein Volk nicht gut geführt? Hast du es nicht bis hierher gebracht?«
    Es waren gute Fragen. Schwarzklaue wusste nicht, weshalb er sie nicht selbst gestellt hatte. »Das habe ich. Er hat seine Entscheidungen getroffen. Sie waren schlecht, deshalb steht er auf diesem Turm. Meine waren gut, deshalb stehe ich hier.«
    Er zog die Lefzen hoch. »Wir brauchen ihn nicht.«
    »Was soll das heißen?« Sonnenauge knurrte tief. Sie hatte große gelbe Augen und ein Fell wie Bergkristall. »Er ist einer von uns. Wir müssen ihm helfen.«
    »Viele werden ihrer Meinung sein«, sagte Daneel. »Sie sollten besser nichts davon erfahren.«
    Schwarzklaue sah sich um. Die Nachtschatten waren hinter ihm. Er hörte ihre Kriegsrufe, aber noch sah er sie nicht – und sie ihn nicht.
    Mit einem Griff brach er Sonnenauge das Genick. Sie zuckte zweimal, dann lag sie still. Daneel half ihm, sie mit Blättern und Ästen zu bedecken.
    »Wieder eine gute Entscheidung«, sagte Daneel.
    Schwarzklaue spuckte aus. »Ich wollte immer mal mit ihr schlafen, aber dafür ist es wohl zu spät.«
    Sie lachten.
    Als die Nachtschatten über die Senke hinwegsprangen, lief Schwarzklaue an ihre Spitze. Die Festung lag vor ihm. Rauch umwehte sie wie ein Schleier. Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Der Wind drückte die Weizenfelder nieder und wirbelte Laub empor.
    Schwarzklaue zog sein Schwert und jagte der herbstlichen

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