Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
Stattdessen wandte er sich an die Gardisten. »Sagt ihm, dass ich gleich dort sein werde.«
    »Wir werden Euch begleiten.« Ihr Tonfall erinnerte ihn an den der Soldaten in den Kerkern.
    Craymorus zögerte, dann schlug er die Decke zurück. Seine Beine ragten wie dürre, knorrige Äste unter dem Hemd hervor. So viel Zeit war seit seinem Sturz vergangen, und doch erschienen sie ihm immer noch wie die Beine eines Fremden. Vielleicht konnte er es deshalb kaum ertragen, wenn andere sie sahen.
    Er verbarg sie unter einer Hose, dann griff er nach den Schienen, die neben seinen Krücken an der Wand lehnten, und legte sie an. Einige wenige Handgriffe genügten, dann zog er die Riemen fest. Er spürte, wie seine Knochen in ihrem Gefängnis aus Eisen und Leder gegeneinander rieben. Der Schmerz schoss bis in seinen Rücken. Er atmete tief durch.
    Die beiden Gardisten sahen teilnahmslos zu, als Craymorus auf seine Krücken gestützt aufstand und ein frisches Hemd anzog. Er zerkaute einige Minzblätter, um den Geschmack der Nacht aus seinem Mund zu vertreiben. Aus den Augenwinkeln sah er Mellie. Sie stand reglos in ihrer Nische, die Hände zu Fäusten geballt. Er konnte ihre Angst beinahe riechen.
    »Ich bin so weit«, sagte er.
    Die Gardisten schlossen die Tür hinter ihm und führten ihn durch ein Labyrinth aus Gängen. Sie begegneten nur wenigen Dienern. Die Offiziere und Würdenträger, die diesen Trakt bewohnt hatten, waren entweder in der Schlacht gegen die Nachtschatten gefallen oder verschwunden. In der Festung war es still geworden.
    Craymorus drehte den Kopf, als er das rhythmische Knallen von Stiefelsohlen auf Stein und das Klirren von Metall hörte. Nur wenige Lidschläge später trat eine Gruppe von sechs Soldaten aus einem Seitengang. Sie trugen Schwerter und die Uniformen der Palastgarde. Ihr Anführer, ein junger Mann mit einem langen Gesicht und dünnem Backenbart, blieb vor Craymorus stehen und salutierte. »Leutnant Garrsy, Mylord«, sagte er. »Ich befehlige Eure Eskorte.«
    »Eskorte?« Einer der beiden Gardisten stellte die Frage, bevor Craymorus sie stellen konnte.
    Garrsy drehte sich zu ihm um. Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Craymorus sah den Schweiß auf seiner Stirn und der seiner Männer. Sie hatten sich beeilt.
    »Fürstin Syrah hat die Palastwache mit der ehrenvollen Aufgabe betraut, ihre engsten Vertrauten zu begleiten.« Die Stimme des Soldaten wurde leiser. »Man munkelt, Nachtschattenspione seien bereits bis in die Stadt vorgedrungen, versteht Ihr?«
    Der Gardist, der die Frage gestellt hatte, machte den Anschein, so als müsse er über die Antwort nachdenken, dann wandte er sich wortlos ab und ging weiter den Gang entlang. Craymorus folgte ihm. Die Soldaten schlossen zu ihm auf, umgaben ihn wie eine Mauer. Der Rhythmus ihrer Schritte geriet ins Stocken, als sie versuchten, sich Craymorus anzupassen, der sich nur langsam und mühsam fortbewegen konnte. Niemand sagte etwas.
    Zwei weitere Biegungen brachten sie hinter sich, dann gingen sie durch einen Gang, der in einer Tür endete. Zwei Gardisten standen davor. Einer von ihnen drehte sich um und verschwand in dem Raum hinter der Tür.
    Leutnant Garrsy sah Craymorus an. »Wir dürfen Euch nicht bis in das Quartier des Königs begleiten«, sagte er, »aber wir werden hier warten.«
    Seine Augen sagten, was seine Stimme verschwieg. Ruft, wenn es Probleme gibt. Craymorus nickte. Die Furcht, die er empfunden hatte, verflog. König Cascyr konnte ihn nicht unbemerkt verschwinden lassen, wenn er das überhaupt vorhatte.
    Der Gardist, der eben das Zimmer hinter der Tür betreten hatte, kehrte zurück, zog die Tür weit auf und trat zur Seite. Craymorus zog sich an ihm vorbei, tauchte in das Meer aus Weiß ein, das jenseits der Tür lag. Weiße Stoffbahnen flatterten wie Segel in der Brise, die durch die weiß verhangenen Fenster drang. Der Boden war bedeckt von weißen Schneebüffelhäuten, der Raum hinter den Stoffbahnen nicht mehr zu sehen.
    Orientierungslos blieb Craymorus stehen. Hinter ihm schloss sich die Tür. Überall raschelte und knisterte Stoff. Irgendwo plätscherte Wasser. »Hallo?«, fragte er in das wogende Weiß hinein.
    Es blieb ruhig. Vorsichtig zog sich Craymorus über die Büffelhäute. Sie mussten am Boden befestigt sein, denn sie rutschten nicht weg, als seine Füße darüber hinwegschleiften. Stoffbahnen glitten an ihm vorbei. Durch manche konnte er hindurchgehen, andere hatte man auf Holzrahmen aufgespannt. Ein merkwürdig

Weitere Kostenlose Bücher