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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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dem Süden. Sie waren über die Provinz hergefallen, hatten Städte und Dörfer niedergebrannt. Die Bewohner waren in die Berge geflohen, weit weg vom Großen Fluss, in ihr Heiligtum. Dort beteten sie zu ihren schlafenden Göttern. In der neueren Schrift stand das Wort »Vergangene!« daneben.
    Doch die Barbaren fanden sie und massakrierten all die, denen eine Flucht nicht gelang. »Wahrheit, Gründung Westfalls, wie 764/1«, hatte der Kommentator unter den Absatz geschrieben.
    »Sieben vierundsechzig Strich eins«, murmelte Craymorus. Die meisten Schriftrollen hatte jemand nach einem System, das er noch nicht ganz durchschaute, nummeriert. Er wühlte in den Rollen auf dem Tisch, fand die richtige und zog sie auf.
    Auch diese Schrift war kommentiert worden, in der gleichen schnörkellos sauberen Handschrift.
    Er fand weitere Verweise und Anmerkungen. Manche bezogen sich auf Schriften, die er mitgenommen hatte, andere auf welche, die noch in der Bibliothek liegen mussten. Er ignorierte Letztere, legte die neben sich, die der unbekannte Kommentator erwähnte und die er auf dem Tisch finden konnte.
    Craymorus fühlte sich wie der Entdecker eines fremden Landes. Mit jeder Zeile, die er las, stieß er tiefer in die Geschichte Westfalls vor, kam er näher an die Vergangenen heran. Der Kommentator begleitete ihn. Seine Anmerkungen waren wie ein eingezeichneter Weg auf einer Karte. Craymorus wich nicht davon ab.
    Schließlich, nachdem drei Kerzen niedergebrannt waren, rieb er sich die Augen und sah auf.
    »Kennst du die Geschichte vom Anfang der Welt?«, fragte er.
    Der Nachtschatten zuckte zusammen. Er hatte geschlafen.
    Craymorus schüttete Wein in einen Kelch und stellte ihn auf den Boden, sodass der Junge ihn erreichen konnte. Dann setzte er sich wieder.
    »Der Gott des Flusses«, sagte er, »sprach eines Tages mit dem Gott der Erde und des Feuers. Erde sagte, seine Macht wäre größer als die des Feuers, Feuer widersprach ihm. Um ihren Streit zu schlichten, erschuf der Gott des Flusses zwei Völker, das der Erde, das er an sein westliches Ufer brachte, und das des Feuers, das im Osten leben sollte.«
    Der Nachtschatten kroch aus seiner Ecke und griff nach dem Kelch. Gierig trank er daraus. Craymorus wusste nicht, ob er ihm zuhörte.
    »Die beiden Völker gediehen. Das am Westufer entdeckte die Magie, erbaute kunstvolle Gebäude und erfreute die Götter mit seinen Dichtungen. Das Volk des Feuers wurde zu mächtigen Kriegern mit einer wilden Lust am Leben.« Er hob die Schultern. »Du kannst dir wahrscheinlich denken, wie es weitergeht. Feuer und Erde konnten sich nicht einigen, wer den Wettstreit gewonnen hatte, also brachten sie das Feuervolk eines Nachts heimlich an das Westufer, um beide Völker aufeinanderzuhetzen. Der Gott des Flusses war wütend, als er davon erfuhr, aber es war zu spät. Der Krieg hatte bereits begonnen.«
    Der Nachtschatten kroch zurück in seine Ecke und legte sich hin. Die Augen schloss er nicht. Er hörte zu.
    »Es war ein Krieg, der Generationen dauerte und die ganze Welt verwüstete. Das Volk des Feuers schien ihn zu gewinnen, doch dann hatte das Volk der Erde eine letzte Idee. Es steckte die Magie, die im Land und in ihm selbst war, die es am Leben erhielt, in einen gewaltigen Zauber. Es entfachte einen Sturm, der dem Volk des Feuers die Kraft entriss und es bis ins ewige Eis des Nordens schleuderte. Der Sturm beendete den Krieg, doch das Volk der Erde lag im Sterben. Mit ihrem letzten Atemzug hauchten sie den Körpern, die als ihre Armeen gedient hatten, Leben ein. Die Körper wurden zu Menschen, hilflosen Sterblichen, die dazu verdammt sind, sich an die Größe ihrer Erschaffer zu erinnern, ohne sie je erreichen zu können. Aus dem Volk des Feuers wurden Nachtschatten. Bis zum heutigen Tag versuchen sie, die Menschen zu vernichten, um sich für die Niederlage zu rächen. Wir nennen das Volk der Erde die Vergangenen und beten zu ihnen, preisen sie wegen des Opfers, das sie für uns auf sich genommen haben, und hoffen, eines fernen Tages ihre Größe zu erlangen. Sie sind wie Götter für uns, wie Eltern, nach deren Stolz wir uns ein Leben lang sehnen.«
    Craymorus trank einen Schluck Wein aus der Karaffe. Seine Hand zitterte. »Ich habe mein ganzes Leben daran geglaubt.«
    Er sah Mellie vor sich. Sie lächelte. Ihre Augen waren leer.
    Es klopfte.
    Craymorus zuckte zusammen. Der Blick des Nachtschattens glitt zur Tür.
    »Mein Fürst.« Garrsys Stimme klang dumpf durch das Holz. »Ich

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