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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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sie fühlte sich, als wäre es bereits später Abend. Ihr Magen knurrte, ihr Mund war trocken, ihre Kopf schwer. Ein wenig Schlaf würde uns allen guttun , dachte sie nicht zum ersten Mal, aber die Furcht vor Cascyr und der Ewigen Garde hielt sie davon ab, Jonan um eine Rast zu bitten.
    Eine weitere Krähe flog in die Scheune. Ana folgte ihr langsam, sah sich dabei immer wieder nach Merie um, die sich mit Stroh Gesicht und Hände abrieb. Es waren nur wenige Schritte bis zum Scheunentor. Sie glaubte nicht, dass es Merie in der kurzen Zeit gelingen würde, mit gefesselten Händen auf das Pferd zu steigen und davonzugaloppieren. Trotzdem behielt sie den Trog im Auge.
    »Und«, sagte sie, »hast …«
     … du was gefunden? , hatte sie fragen wollen, aber der Anblick, vor dem sie stand, wischte die Worte von ihrer Zunge.
    Die Scheune lag im Halbdunkel. Licht drang durch die Ritzen in Wänden und Dach. Staub und kleine Strohhalme tanzten darin. Ana hörte, wie Stroh leise vom Dachboden nach unten rieselte. Es klang, als würde es schneien.
    Die drei Männer hingen vom Dachbalken. Krähen saßen auf ihren Schultern, pickten nach den blau angeschwollenen Zungen, die aus den Mündern der Männer quollen. Sie hingen vollkommen reglos an den dünnen Stricken, mit denen man sie erhängt hatte. Sie waren barfuß. Es stank nach Urin.
    Jonan stand hinter dem größten der drei Männer. Er hatte ihm das Hemd zur Hälfte ausgezogen. Ana sah, dass der Bauch des Mannes über dessen Gürtel hing. Verwaschene Kreise waren darauf tätowiert. Sie wusste nicht, was sie zu bedeuten hatten, aber der Mann sah aus wie ein Bauer. Vielleicht war es ein Erntezauber. Sie stellte sich vor, wie er nur einen Morgen zuvor sein Pferd vor den Pflug gespannt hatte, nicht ahnend, dass es das letzte Mal sein würde.
    Jonan knöpfte die Ärmel am Hemd des Bauern auf.
    »Was machst du da?« Sie versuchte, den Ekel, den sie fühlte, aus ihrer Stimme fernzuhalten. Es gelang ihr nicht.
    Jonan hielt inne, dann wandte er den Blick von Ana ab und zog das Hemd über die Handgelenke des Toten. Ohne sie anzusehen, sagte er: »Warum kannst du nie das tun, worum ich dich bitte?«
    Er klang müde und ein wenig enttäuscht.
    Ana fragte sich, welche Antwort er darauf erwartete. Ihr fiel keine ein.
    »Hast du gewusst, dass sie hier sein würden?«, fragte sie stattdessen.
    Jonan schlug das Hemd einige Male aus, dann begann er sein eigenes aufzuknöpfen. »Ich habe sie draußen gerochen. Sie sind noch nicht lange tot, wahrscheinlich erst seit gestern Abend.«
    Er zog das Hemd aus. Ana sah die Narben auf seinen Rippen, die die Nachtschatten ihm im Kampf zugefügt hatten. Jonan schien ihr Blick unangenehm zu sein, denn er drehte sich ein wenig zur Seite.
    »In der Satteltasche da vorn sind ein paar Laib Brot, Trockenobst und Ziegenkäse«, sagte er. »Das wird bis morgen reichen.«
    Er warf sein altes Uniformhemd ins Stroh. Das des Bauern war viel zu weit, aber gerade lang genug. Er zog es über und stopfte es sich in die Hose. Getrockneter Schweiß hatte Flecken im Stoff hinterlassen.
    Wie kannst du das nur anziehen? , wollte Ana fragen, aber sie tat es nicht, weil sie wusste, dass er diese Frage befürchtete.
    »Wieso hat man sie umgebracht?«
    »Dieser Mann …«, er zeigte auf den halb nackten toten Bauern, »… hat einmal in der Armee Westfalls gedient. Die Kreise weisen ihn als Bogenschützen aus. Seine Mörder waren auf der Suche nach Deserteuren.«
    Ana begriff, weshalb er das Hemd gewechselt hatte. Sie war froh, dass sie ihn nicht danach fragen musste.
    »Und die anderen?«
    Jonan hob die Schultern. »Wer weiß.«
    Die Antwort auf diese Frage schien ihn nicht zu interessieren.
    Er nahm die Satteltasche und legte sie sich über die Schulter. »Wir sollten uns eine Erklärung ausdenken, falls uns Patrouillen anhalten. In solchen Zeiten reist man nur, wenn …«
    »Merie!« Anas Augen weiteten sich. Sie drehte sich um und lief aus der Scheune. Sie war sich sicher, was sie vorfinden würde: einen leeren Trog, ohne Merie und ohne Pferd.
    Sie kniff die Augen zusammen, wollte sich dem Anblick und ihrem eigenen Versagen nicht stellen.
    Doch als sie aus der Scheune lief, sah sie, dass Merie noch da war, ebenso wie der Hengst. Und da waren außerdem vier Männer, die auf Pferden saßen und ihre Schwerter auf Merie gerichtet hatten. Das Mädchen zitterte.
    »Habt ihr unser Werk bewundert?«, fragte einer der Männer. Er war groß und stämmig, hatte gerötete Wangen wie ein

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