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Der verwaiste Thron 03 - Rache

Der verwaiste Thron 03 - Rache

Titel: Der verwaiste Thron 03 - Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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nicht.
    »Rickard?« Gerit hielt sich den Ärmel seiner Jacke vor Mund und Nase. Trotzdem würgte er bei fast jedem Atemzug.
    Er schob den Rucksack weiter von sich weg, stieß ihn an, sodass er umfiel und sich der schwarze Sand über den Fußboden ergoss.
    Rickard zuckte zusammen.
    »Der ist für dich«, sagte Gerit. Er wich zur Tür zurück, unsicher darüber, was als Nächstes geschehen würde. »Nimm ihn dir.«
    Langsam drehte sich Rickard um. Gerit erschrak, als er sah, wie sehr sein Gesicht verfallen war. Maden krochen über seine Haut, seine Augen waren blind und weiß. Steif wie ein alter Mann ging er auf den Rucksack zu.
    Einen Moment blieb er davor stehen, dann fiel er auf die Knie. Gerit hörte seine Knochen knirschen. Er schien keinen Schmerz zu spüren. Seine Hände tasteten nach dem Sand, gruben sich hinein. Er ließ ihn durch seine abgestorbenen Finger fließen.
    Als würde er ihn streicheln , dachte Gerit.
    Rickard legte seine Hände zusammen, als wolle er Wasser aus einem Brunnen schöpfen – und begann den Sand in seinen Mund zu schaufeln.
    »Nein!« Gerit sprang auf, wollte ihn wegstoßen, zögerte dann jedoch. Als sie Rickard in der Höhle fanden, war Sand aus seinem Mund gerieselt. Vielleicht hatte er ihn schon dort gegessen.
    »Ich weiß nicht, was du brauchst«, sagte Gerit leise. »Du isst nicht mehr, du trinkst nicht mehr. Wenn dir der Sand hilft, dann sollst du ihn bekommen.«
    Rickard beachtete ihn nicht. Drei Handvoll Sand stopfte er sich in den Mund, bevor er sich hinlegte und die Augen schloss. Gerit wartete, aber Rickard stand nicht wieder auf, versuchte nicht, durch die Wand zu gehen. Der Sand war zu ihm gekommen, er hatte bekommen, was er wollte.
    Gerit stand auf, verließ die Räume und verriegelte sorgfältig die Tür. Tief atmete er die abgestandene Kellerluft ein. Sie schmeckte so rein wie ein Ritt in den Bergen.
    Er braucht den Sand , erkannte er. Er hält ihn am Leben.
    Er stutzte, als er an den Anblick dachte, den er zurückgelassen hatte. Rickard, schlafend, den Kopf auf den Sand gebettet. Die Körner hatten sich nicht bewegt, kein Luftzug hatte ihre Ruhe gestört.
    Rickard atmete nicht.

 
Kapitel 17
     
    Gelegentlich werde ich gefragt, welche Provinz mich auf meinen Reisen am meisten beeindruckt und welche mir am besten gefallen hat. Ich lehne es stets ab, diese Frage zu beantworten, aus dem einfachen Grund, dass kaum jemand verstehen würde, weshalb der Name Westfall weder in der einen noch in der anderen Liste auftaucht.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 1
     
    Im Morgengrauen sah Ana das Pferd. Es war ein Ackergaul mit breitem Rücken und gelber Mähne. Er graste auf einem Feld in der Nähe eines kleinen Dorfs, und bei jedem Schritt zog er einen umgekippten Pflug hinter sich her. Der Griff riss eine Furche ins Gras.
    »Jonan?« Es war das erste Wort, das sie seit Stunden sagte. Der Weg durch den unwegsamen nächtlichen Wald hatte ihr längst die Kräfte geraubt.
    Jonan drehte sich um, folgte mit seinem Blick ihrem ausgestreckten Arm bis hin zum Feld. Er trug Merie immer noch über der Schulter. Sie war wach, redete aber nicht. Einmal hatte Jonan sie an einem Bach abgesetzt, damit sie sich das Blut aus dem Gesicht waschen konnte, aber sie war sofort in den Wald gerannt, hatte versucht zu fliehen. Danach hatte er sie an den Füßen gefesselt.
    Ana warf Merie nur ab und zu verstohlene Blicke zu. Kurz nach dem Angriff hatte sie sich wieder zurückverwandelt, aber Ana meinte immer noch, in das Gesicht einer Fremden zu sehen.
    Sie folgte Jonan durch das Unterholz. Äste knackten, Dornen kratzten über ihre Stiefel. Alles erschien ihr furchtbar laut, so als höre man jeden brechenden Zweig in ganz Westfall. Seit Beginn ihrer Flucht hatten sie keinen einzigen Gardisten gesehen, noch nicht einmal aus der Ferne, aber Ana glaubte trotzdem, dass man ihnen folgte.
    Das Pferd hob den Kopf, als sie und Jonan das Feld betraten. Es stellte die Ohren auf, bewegte sich aber nicht. Ana fragte sich, wie lange es wohl den schweren Pflug schon hinter sich herzog und was aus seinem Besitzer geworden war.
    Ana blieb vor dem Pferd stehen und sprach beruhigend auf das Tier ein. Aus der Nähe sah sie, dass es ein junger Hengst war. Er schien keine Angst vor Fremden zu haben. Jonan nahm ihm das Geschirr ab, dann führte Ana ihn aus dem Pflug heraus. Das Pferd schüttelte den Kopf und schnaubte.
    »Ihr beide reitet«, sagte Jonan, während er Merie die

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