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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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nickte.
    Ich drehte mich wieder um und machte mich auf den Weg zum Lagerfeuer und zu Morag.
    »Jake?«
    Wieder blieb ich stehen und holte tief Luft, bevor ich mich umwandte. »Mudge, du hinderst mich gerade daran, zu einer hübschen jungen Frau zu gehen, die Sex mit mir haben will.«
    »Obwohl du gerade zur Hälfte aus Haut und zur Hälfte aus Teer bestehst?«
    »Ich kann dich auch erschießen. Außerdem solltest du Gott auf Knien dafür danken, dass es Menschen gibt, die bereit sind, Sex mit hässlichen Männern zu haben«, sagte ich.
    Er grinste, dann wurde seine Miene wieder ernst. »Wenn wir mit dieser ganzen Sache fertig sind, werden wir hierher zurückkehren, nach Crawling Town, um ein paar unerledigte Angelegenheiten zu regeln, ja?«
    Ich hätte ihm sagen können, dass er es nicht tun musste, aber das wäre eine Plattitüde gewesen, über die er sich nur geärgert hätte.
    »Ja«, antwortete ich.
     
    Es war im zweiten Stock eines der Bungalows in der Nähe eines großen Lochs im Fußboden. Es war nicht gerade der romantischste Ort. Schließlich befanden wir uns mitten in einem schwer verseuchten Landstrich. Ich legte eine Plane aus und baute das Biwakzelt auf. Morag schaltete eine Lampe ein - im Gegensatz zu mir verfügte sie über kein Nachtsichtvermögen - und entrollte zwei Schlafsäcke, die sie miteinander verband.

    »Möchtest du mich erleben?«, fragte sie und zog etwas aus ihrer Tasche. Ich sah es mir genauer an. Es war ein höchst illegales Biofeedback-Gerät, im Prinzip nicht mehr als ein kleiner Kasten mit acht Kabeln, die in Steckern endeten. So etwas ließ sich dazu benutzen, sexuelle Empfindungen zu verstärken oder jemanden zu foltern. Letztlich war der Kasten eine kleine Senso-Vorrichtung. Jeder von uns würde spüren, was der andere spürte. Das war so ziemlich das Intimste, was ich mir vorstellen konnte. Ich hatte in hundert Feuergefechten gekämpft, aber ein Mädchen schaffte es, mir wirklich Angst zu machen.
    »Woher hast du das?«, fragte ich.
    »New York.«
    Woher sonst? Ich schluckte, dann nickte ich.
    Es wäre reine Zeitverschwendung, beschreiben zu wollen, wie es war, ganz von ihr umgeben zu sein und dann zu empfinden, was sie empfand, jede Berührung und ihr Echo zu spüren. Wir blieben anschließend miteinander vereint und hielten uns einfach nur in den Armen. Es war die Erlösung, nach der ich in den Kabinen gesucht, die ich dort aber nie gefunden hatte, die Auflösung des Ichs ohne die … Dislokation. Es fühlte sich an, als sei ich viel mehr als ich selbst.
    Erst danach kam mir in den Sinn, dass ich Botschafter Zugang zu mir verschafft hatte. Erst am frühen Morgen musste mein Geist es sabotieren. Wahrscheinlich konnte ich nur nicht akzeptieren, dass mir etwas so Gutes widerfuhr.

21. Kapitel
    NEW YORK
    Ich konnte SIE singen hören. Wie konnte ich SIE im Vakuum singen hören? Es war nicht in meinen Ohren. Es war nicht einmal in meinem Kopf. Es klang wie Wind, der durch ein unvorstellbar großes Glockenspiel wehte, irgendwie gleichzeitig disharmonisch und wunderschön, ein Chor falsch singender Engel.
    Auch SIE/ES war wunderschön. Von dort, wo ich im Weltraum hing, konnte ich IHRE Türme sehen, die tief im Asteroiden verankert waren und aus einem biolumineszierenden korallenähnlichen Material bestanden. SIE sahen wie eine riesige und völlig stille Stadt aus. Ich hing im Weltraum, nackt und ganz, und in mir war keine Maschinerie mehr, während ich SIE/ES beobachtete.
    Ein Flüstern, das von ganz tief drinnen kam, vermittelte mir, dass dies alles SIE waren, dass SIE dies alles waren. Dass dies IHRE Existenz gewesen war und SIE damit zufrieden gewesen waren, weil SIE nie mehr gekannt oder gewollt hatten.
    Mir war, als könnte ich SIE ewig beobachten und ewig IHREM Gesang horchen. Etwas im Hintergrund meines Geistes fragte sich, wie ich mich wieder im Vakuum befinden konnte, ohne zu sterben. Ich sah einen Erinnerungsblitz aus einem Alptraum. Kalt, extrem kalt, explodierende Adern, hervorquellendes Blut rund um den Kunststoff, der meine Augenhöhlen ausfüllte. Dann war das Bild wieder fort, als ich es zurückdrängte, eine Erinnerung aus einer
anderen Zeit, einem anderen Leben, und wieder hing ich nur da und beobachtete und horchte.
    Ich wusste nicht, wie lange ich dort hing, ohne dass mir langweilig wurde oder ich in Unruhe verfiel, und ich wusste nicht, woran ich zuerst erkannte, dass etwas nicht stimmte. Vielleicht war es ein alter Instinkt. Ich blickte mich um, so gut es mir

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