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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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Oberklasse-Wohnviertel in den Rigs war. Die noch vorhandenen Container des total verrosteten, dreihundert Jahre alten Schiffs waren mit Pappwänden unterteilt und in ein Massenabfertigungsbordell verwandelt worden. Hierher kamen die Bewohner der Rigs, um das Fleisch zu erleben.
    Die Brücke war schon vor langer Zeit ausgeschlachtet worden. Dann hatte man die nichttragenden Wände herausgerissen und das gesamte Deck zu einer Art Lounge-Bar für Arme umgebaut. Das Ganze war ein schlechter Witz. Eine Verarschung der Leute, die dazu gezwungen waren, auf den Rigs zu leben. Ich stieg die Metalltreppe zum Brückendeck hinauf. Ich dämpfte mein Gehör, um das Grunzen, das Seufzen, die vorgetäuschten Orgasmen und die Schmerzensschreie auszublenden. Ich versuchte nicht daran zu denken, dass die Arbeit hier oder in einem der anderen Fleischsalons in den Rigs eine der wenigen Chancen darstellte, mit denen junge Leute Geld verdienen konnten. Allerdings wurden sie sehr schnell aufgebraucht.
    So unauffällig wie möglich versuchte ich mich in die Bar auf
dem Brückendeck zu schleichen, aber mein langer Mantel und die Art, wie sich jemand mit verstärkten Reflexen bewegte, verrieten mich sofort. Ich ließ mich auf einem der Hocker an der Bar nieder und spürte das Brennen der Blicke, die auf meinen Rücken gerichtet waren. Die Brückenbar war für jene Leute da, die nach den Maßstäben der Rigs Großverdiener waren. Alle anderen mussten sich mit den Drehkreuzen des lotterieähnlichen Systems auf dem Vorderdeck begnügen. Die Sicherheitskräfte bestanden aus gewalttätigen jungen Männern und Frauen mit billiger Ausrüstung und Sturmgewehren.
    Die Jungen und Mädchen in der Bar waren die jüngsten und frischesten, die am wenigsten beschädigten. Die krakeligen Kreidebuchstaben auf der Tafel über der Theke deuteten an, dass man ihnen so ziemlich alles Mögliche antun konnte, wenn man das nötige Geld hatte. Cassidy war nirgendwo zu sehen, aber es waren sehr viele seiner Schläger in der Bar. Junge Verrückte mit zu viel billiger Ausrüstung, schlechten Drogen und Waffen, mit denen sie nicht umgehen konnten. Die meisten von ihnen waren zweifellos Kriegsdienstverweigerer. Sie waren zu gefährlich, um sie zu rekrutieren, als ihre Nummer aufgerufen wurde, oder sie hätten mehr Ärger gemacht, als sich lohnte. Die Übrigen waren Gäste, vorwiegend aus der Unternehmerklasse in den Rigs. Dealer, die mit allem dealten, womit sich dealen ließ - Drogen, Schnaps, Rauchzeug, Medikamente, Waffen, Leben.
    An einem Tisch saß ein Mann, der sein Gehalt von einer Firma bezog und einen recht hohen Rang innehaben musste, wenn man nach seinem Gefolge aus Wachmännern ging. Er war gekommen, um sich unters Volk zu mischen. Wahrscheinlich wollte er jemanden snuffen. Sein Katana , das Firmenabzeichen für Schwertkämpfer, lag in der Scheide auf dem Tisch vor ihm. Ich fragte mich, wie viele Menschen er schon mit diesem Schwert bei Bewerbungs- und Ausschreibungsduellen getötet hatte, um dorthin zu kommen, wo er jetzt stand. Ich hatte eine
ziemlich gute Vorstellung, worauf diese Geschichte hinauslaufen würde, und bedauerte es, dass ich für diesen Mann zu Anekdotenfutter werden sollte. Vom Vorderdeck war das Feuer einer automatischen Waffe zu hören. Meine Hand lag am Griff meiner Laserpistole, bevor ich nachdenken konnte, was ich tat. Ich war schon sehr lange nicht mehr so aufgedreht gewesen. Niemand sonst reagierte. Nichts Neues. Es war einfach nur ein weiteres Exempel statuiert worden.
    »Was trinken?«
    Ich blickte zum Barkeeper auf. Er war ein Vet. Ein Arm fehlte, wo man ihm nach der Entlassung die Prothese abgenommen hatte, der andere war mit kräftigen Muskeln ausgestattet, dank illegaler Booster, Aufputschmittel und Überkompensation. Seine Augen waren billige Coventry-Implantate. Wahrscheinlich hatte man sie ihm als Ersatz für das gegeben, was er während der Militärzeit getragen hatte. Das rote Narbengewebe rund um die Augen deutete auf eine verpatzte Operation hin. Wahrscheinlich schmerzten die Implantate ständig und hatten eine schlechte Auflösung.
    »Haben Sie was Nettes da?«, fragte ich voller Optimismus.
    Der Barkeeper grinste ironisch und schüttelte den Kopf.
    »Oder wenigstens etwas, das man ohne Gefahr trinken kann?«
    »Nicht allzu viel«, antwortete er mit breitem Dundee-Akzent.
    Ich legte ein paar schmutzige Papier-Euros auf den Tresen. »Nehmen Sie sich selber einen Drink, und ich trinke das, was auch Sie sich zu trinken

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