Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
Vom Netzwerk:
entweder die Möchtegern-Harten oder jene, die verzweifelt Aufmerksamkeit suchten. Ich fragte mich, zu welcher Fraktion dieser hier gehörte.
    Er hatte Leichenbemalung aufgelegt. Vernarbte Haut an den Mundwinkeln, wo man sie aufgeschnitten hatte, um das Lächeln zu verbreitern, die Sonnenbrille, der künstlich zerknitterte Gehrock aus Samt, vermutlich mit gepanzerter Fütterung, darunter der Jogginganzug und die Laufschuhe. Er schien um die fünfzehn zu sein. Er saß da, spielte mit einem langen skalpellähnlichen Messer und trank ein schwarz gefärbtes Pint, das vermutlich angeblich echtes jamaikanisches Guinness war. Er starrte mich nicht an, sondern musterte mich gelassen.
    Er passte überhaupt nicht in einen solchen Laden. Genauso wenig wie ich. Diese Pubs waren etwas für Leute mit Geld - Gehaltssklaven oder Offiziere auf Urlaub -, aber das alles galt nur in der realen Welt. Ich dachte nur aus Gewohnheit darüber nach. Ich wollte den Smiler gerade ansprechen, als die Tür aufging und ein hellblaues Licht hereinströmte, vor dem sich eine große schlanke weibliche Gestalt abzeichnete, die dann eintrat.
    Ich hob eine Hand und schirmte die Augen ab, aber das Licht verschwand, als die Gestalt die Tür schloss. Der Avatar war groß, auf klassische Art schön, mit ausgeprägten Wangenknochen. Sie hatte blassblaue Haut und langes schwarzes Haar, das in einem nicht vorhandenen Wind wehte. Ihr Kleid reichte bis zu den Fußknöcheln
und schien aus einem faserigen blauen Material zu bestehen, in das lebende Blumen eingewoben waren. Ihre Augen waren Teiche aus solidem Schwarz. Als sie eintrat, nahm der Smiler die Sonnenbrille ab. Seine Augen waren von kunstvollem Make-up eingerahmt, das sich aus eigenem Antrieb zu bewegen schien, und sie waren genauso unergründlich schwarz wie die der Frau. Plötzlich hatte ich das Gefühl, der einzige Mensch im Raum zu sein.
    »Morag?«, fragte ich die Frau. Dieser Avatar war anders als Annis. Ich sah, wie die Gestalt entnervt seufzte. Sehr gute Programmierung.
    »Es ist Annis, beziehungsweise ein Aspekt von ihr«, sagte Morag. Natürlich hatte ich gegen die Netikette verstoßen, als ich sie nicht mit dem Namen ihres Avatars angesprochen hatte.
    Der Smiler beobachtete uns schweigend.
    »Was geschieht hier?«
    »Du bist wieder bewusstlos«, sagte sie in neutralem Tonfall.
    »Manches ändert sich nie«, sagte der Smiler. Er hatte einen breiten schottischen Akzent, der vertraut klang. Was völlig klar war, als ich ihn zuordnen konnte. Wer sonst konnte er sein?
    »Gregor?«, fragte ich vorsichtig, und unter dem Make-up und der Grinsenarbe erkannte ich Züge meines Freundes, wie er als Teenager ausgesehen haben mochte.
    »Ist noch gar nicht so lange her«, sagte Gregor, und dann lächelte er, was durch die Narbe äußerst grotesk wirkte. Also bist du früher ein Smiler gewesen , dachte ich. Er hatte nie darüber gesprochen und sich sogar die Narben entfernen lassen, bevor er zum Regiment gekommen war.
    »Wo sind wir hier?«, fragte ich. Es würde eine Weile dauern, bis ich wusste, wie ich auf eine neue, völlig unvertraute Inkarnation meines alten Freundes reagieren sollte.
    »Es ist ein intuitives Programm«, sagte Morag - Entschuldigung, Annis, die neue und attraktivere Annis.

    »Du kannst intuitive Programme schreiben?«, fragte ich. So etwas war ziemlich anspruchsvoll. Ich wusste nicht, warum ich so überrascht war.
    »Mit etwas Hilfe. Außerdem ist Gregors Neuralware oder Biologie gut mit der von Botschafter kompatibel«, sagte sie.
    Das gefiel mir nicht. »Bin ich in einem Alien?«, fragte ich nervös.
    »Erschrick dich nicht«, sagte Morag gereizt.
    »Hallo, Gregor, alter Kumpel! Wie ist es dir ergangen, seit wir uns zuletzt gesehen haben? Ach, ganz gut, nur dass ich entführt und gegen meinen Willen gefangen gehalten wurde und zahllose Experimente über mich ergehen lassen musste. Und wie geht es dir?« Dazu lächelte Gregor so breit, dass ich fast erwartete, sein Gesicht würde sich horizontal spalten.
    »Lass mir ein bisschen Zeit«, sagte ich.
    »Weil du derjenige bist, der Zeit braucht, um sich wieder anzupassen«, sagte Annis.
    »Die Bar?«, fragte ich.
    Annis zuckte mit den Schultern. »Er hat sie gemacht.«
    »Es war ein sehr friedlicher Moment für mich. Ich wartete auf einen Klienten, für den ich einen Schlitzauftrag übernehmen sollte. Ich wurde in den Pub gelassen. Es war mitten am Nachmittag, und es war unglaublich friedlich. Ich vermute, mein Unterbewusstsein hat diesen

Weitere Kostenlose Bücher