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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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Das machte es für uns schwerer als unter normalen Umständen, unseren Platz in der Nahrungskette zu erkämpfen. Die Getränke und Drogen reichten höchstens zwei oder drei Tage, und danach gab es nur noch rationierten Rum, der jedoch nie genug war. Also machte ich mich auf die Suche nach dem Opfer. Das Opfer war eine Botschaft an den Rest der Insassen, und sie lautete, dass ich in Ruhe gelassen werden wollte. Ich wollte nicht der Daddy sein, das sollte jemand machen, der bereit war, diese Rolle zu übernehmen. Es bedeutete einfach nur, dass man weniger Ärger hatte, wenn man mich in Frieden ließ. Das Opfer musste ein Arschloch mit großer Klappe und genügend Muskeln und der nötigen Unterstützung sein, um seine Rolle als Rüpel durchziehen zu können. Es war praktisch immer ein Mann. In diesem Fall war es ein Borderline-Cyber-Psychotiker vom 2. Para-Bataillon. Ich tötete ihn wegen einer Flasche Whisky. Es war nicht mal guter Whisky. Das war meine Botschaft.
    Wir hatten noch acht Tage vor uns.
     
    Mudge zog sein Ding durch, ich saß auf meiner Pritsche und trank. Größtenteils ignorierte ich, was sonst vor sich ging, ohne an überhaupt etwas zu denken. Ich erinnere mich an Wut und Benommenheit. Es war ein seltsamer Zustand des Nichtempfindens. Ich führte Gespräche mit Mudge, aber er war es, der die meiste Zeit sprach, und an den Inhalt erinnere ich mich gar nicht mehr. Mudge musste mich praktisch dazu zwingen, dass ich mich um meine Wunden kümmerte.
    Doch an den Vikar erinnere ich mich. Er trug eine verdreckte Uniform ohne Hoheits- oder Rangabzeichen. Sein Haar und sein Bart waren verfilzt. Er hatte den Blick eines Wahnsinnigen - etwas stimmte nicht mit seinen wilden, blutunterlaufenen Augen. Die
hässliche, aber zweckmäßige militärische Technik, aus der eine Hälfte seines Kopfes bestand, machte es nicht besser, und er wollte einfach nicht die Klappe halten. Er hatte irgendwas genommen, denn er brauchte keinen Schlaf und predigte ununterbrochen. Er wetterte gegen Gott, die Endzeit und natürlich gegen SIE, die Dämonen, bis sein Mund blutete. Es hatte mehrere Versuche gegeben, ihn durch Prügel zum Schweigen zu bringen, aber jedes Mal hatten sich die Leute durch irgendetwas davon abhalten lassen, die Sache zu Ende zu bringen. Vielleicht hatte es etwas mit Religion zu tun, vielleicht dachten sie, es würde Unglück bringen, jemanden zu töten, der so wahnsinnig war. Niemand hatte das Bedürfnis, ihm zu nahe zu kommen.
    Als wir in den Frachtraum marschiert waren, war er schon da gewesen. Er hatte den Arm gehoben, auf mich gezeigt und losgeschrien, während ihm der Sabber am struppigen schwarzen Bart herunterlief.
    »Ich kenne deine Werke. Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot. Werde wach und stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag. Ich habe gefunden, dass deine Taten in den Augen meines Gottes nicht vollwertig sind.«
    Ich drängte mich an ihm vorbei und versuchte den Gestank zu ignorieren.
    Die Tiraden des Vikars, begleitet vom Knarren des Rumpfs, wurden zum Hintergrund-Soundtrack an Bord der Santa Maria . Zu Anfang gingen mir die Predigten auf die Nerven, genauso wie allen anderen. Jeder im Frachtraum hatte schon mit religiösen SigTechs zu tun gehabt. Man musste Toleranz aufbringen, da die Kommunikation überlebenswichtig war. Sie forderten Evakuierungen, Luftunterstützung und Artillerie an. Sie hielten den Trupp zusammen, so dass man ihnen einen gelegentlichen Sermon verzeihen konnte. Aber der Vikar war die Krönung. Irgendwann fing ich sogar an, seine Erzählungen als tröstend zu empfinden. Ich hörte ihm immer häufiger zu, um meine Gedanken von Gregor,
Rolleston, dem Ninja und meiner Unfähigkeit, mich um meine Leute zu kümmern, abzulenken.
    »Wer ist er?«, fragte ich.
    Mudge schien überrascht zu sein, dass ich mich plötzlich für etwas anderes als Whisky und Grübeleien interessierte. »Man nennt ihn den Vikar«, sagte Mudge. Wahrscheinlich wusste er es, weil er noch in Kontakt mit seiner Umwelt stand.
    »Passt. Was hat er gemacht?«
    »Anscheinend ist er vom Green Slime und dem GCHQ angegliedert«, antwortete Mudge. »Es gibt Gerüchte, dass er an der Operation Spiral teilgenommen hat.«
    Diese Operation war ein angebliches gemeinsames Projekt von GCHQ und NSA, bei dem die Kommunikationsinfrastruktur von IHNEN gehackt werden sollte. Letztlich lief es darauf hinaus, Hacker in ein Alien-Netz zu schicken.
    »Die gab es wirklich?«, fragte ich. Bisher hatte ich angenommen,

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