Der Veteran: Roman
dass die Operation Spiral nicht mehr als ein Soldatenmythos war.
»Zumindest behaupten es die Leute«, sagte Mudge mit einem Schulterzucken.
»Was sagt er dazu?« Es erstaunte mich selbst, dass ich mich danach erkundigte.
»Dass er das Gesicht des Teufels gesehen hat. Wenn die Gerüchte stimmen, sind bei allen die Frontallappen durchgebrannt, oder sie wurden unwiederbringlich in den Wahnsinn getrieben.«
»Also ist mit ihm Letzteres passiert?«
»Er ist noch am wenigsten verrückt von allen«, sagte Mudge.
Es überraschte mich wirklich, wie lange es dauerte, bis sich die Lage zuspitzte. Wir waren erst zwei Tage unterwegs. Der Alkohol und die Drogen würden voraussichtlich morgen ausgehen, und dann standen uns eine Menge Beruhigungsmittel und ein kalter Entzug bevor. Das war der Moment, als es richtig schlimm wurde.
Soweit ich wusste, war der Kerl, der ausflippte, irgendein schwerer
Psychotropiker, bei dem der unablässige Monolog des Vikars irgendein Feedback und die Vision einer halluzinogenen christlichen Höllenlandschaft ausgelöst hatte. Es war klar, dass der Typ nicht allzu sehr davon begeistert war.
Ich hörte das Geschrei. Die Stimme des Durchgeknallten hatte den Tonfall völligen Wahnsinns angenommen und klang nicht mehr menschlich. Der Vikar reagierte mit einem Versuch, ihm die Dämonen auszutreiben. Der Typ hatte ein paar Freunde in seiner Nähe, die ihn wahrscheinlich davor bewahren sollten, sich selbst zu verletzen oder verletzt zu werden. Ich dachte schon, damit wäre das Ende des Vikars besiegelt. Zu meiner eigenen Überraschung erkannte ich, dass ich den Lärm vermissen würde.
Noch mehr überraschte mich, dass ich es fertigbrachte, mich von der Pritsche zu erheben und acht Kojenetagen hinunterzusteigen. Ich kam an Soldaten vorbei, die sich auf die Ellbogen stützten und ein betrunkenes, mordlustiges Publikum bildeten. Ich hätte dasselbe tun sollen. Mudge sagte mir später, er hätte gedacht, ich wollte mich umbringen lassen.
Auf dem kalten Boden sah ich, was vor sich ging. Der Verrückte hatte den Vikar auf eine Prische gedrückt. Der Besitzer dieser Pritsche hatte sich zur Trennwand zwischen seiner und der nächsten zurückgezogen. Er hatte die Augen weit aufgerissen - wie bei jedem anderen waren es schwarze Linsen -, und sein Gesicht hatte den lächelnden Ausdruck eines Voyeurs, während er zusah, wie der Typ die Haut des Vikars ritzte. Schließlich gab es an Bord nicht eine einzige Senso-Kabine.
Der Vikar war blutüberströmt, aber zwischen den Schreien schaffte er es trotzdem immer wieder, aus der Schrift zu zitieren, ein Ausmaß von Hingabe, die mir absolut unverständlich war.
»Fürchte dich nicht vor dem, was du noch erleiden musst!«, brüllte er.
Der Verrückte war nackt und ebenfalls voller Blut. Es sah aus, als hätte er nicht nur den Vikar, sondern auch sich selbst geschnitten.
Ein Psychotropiker mit selbstschädigendem Verhalten - es war fast ein Klischee. Er hielt ein scharfes Metallstück in der Hand, obwohl ich mir ziemlich sicher war, dass er über implantierte Waffen verfügte. Die Hardware in seinem Schädel verriet mir, dass er SigTech wie der Vikar war. Nach seinem stromlinienförmigen Körperbau, den Schwimmhäuten zwischen den Fingern und Zehen, den Kiemen und den Tattoos, die unter dem Blut gerade noch erkennbar waren, musste er ein SEAL sein. Was bedeutete, dass die beiden Frauen, die genau hinter ihm standen, ebenfalls SEALs waren. Sie waren in der Überzahl, und SEALs wussten, was sie taten. Auf der anderen Seite war ich mir nicht so sicher, dass ich wusste, was ich tat. Der ausgeflippte SEAL schluchzte nur noch und flehte den Vikar an, die Klappe zu halten. Keine der beiden Frauen schien glücklich darüber zu sein, was geschah, aber sie achteten darauf, dass mit ihrem Kollegen alles in Ordnung war.
»Lass ihn los«, sagte ich ruhig.
»Ich sage euch, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, um euch auf die Probe zu stellen, und ihr werdet in Bedrängnis sein, zehn Tage lang!«, brüllte der Vikar.
Eine der Frauen - klein, stämmig, zäh, mit Militärhose und bauchfreiem T-Shirt und einem verschwitzten Stirnband - wechselte ihre Position, um mich besser im Auge behalten und eingreifen zu können, falls die Lage brenzlig wurde.
»Das ist eine Privatangelegenheit. Kümmer dich um deinen eigenen Scheißdreck«, sagte sie. Die Eindringlichkeit ihrer Worte war den Umständen angemessen, aber es war klar, dass auch ihr diese Sache nicht
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