Der Veteran: Roman
ihm. Ich fühlte mich bei weitem nicht so selbstsicher wie der Major.
»Das tue ich die ganze Zeit. Ich werde nicht vors Kriegsgericht gehen und Mrs. Broadin erschießen lassen.«
»Sie Drecksack!«, sagte Ash, was die Sache nicht besser machte.
Rolleston starrte mich immer noch an. Seine kalten blauen Augen blickten in meine mattschwarzen Linsen. Er schien mir sagen zu wollen, dass ich auf gar keinen Fall gewinnen konnte. Ich schien ihm zu glauben. Das war der Moment, in dem ich Verrat an meiner Einheit beging.
»Wir gehen«, sagte ich, während ich hinter mir ungläubige Laute hörte. »Schultert eure Waffen.«
Etwas stimmte nicht mit Buck und Gibby, mal davon abgesehen, dass sie immer noch da waren. Sie waren der 7. Schwadron der Royal Air and Space Force zugeteilt, als Busfahrer der britischen Spezialeinheiten, aber sie waren eine Leihgabe des 160. Flugregiments der Special Operations - oder der »Night Stalkers«, wie sie sich gerne nannten.
Die beiden Amerikaner sahen eigentlich gar nicht wie Piloten aus. Beide waren in den stark modifizierten Lynx-Senkrechtstarter eingeklinkt. Gibby steuerte den Bus, und Buck war Kopilot und Schütze. Die beiden bestanden aus viel Bart, Leder, verfilzten Dreadlocks, Kybernetik, Tattoos und altmodischen breitkrempigen Kavalleriehüten, die kaum in den engen Innenraum eines Kampffliegers passten. Mit den billigen Plastiksonnenbrillen über den künstlichen Augen sahen sie eher wie zwei degenerierte Cyberbillys aus. Die beiden waren viel higher als der Tiefstflug, den sie mit dem Bus veranstalteten.
Gibby hatte das Cockpit mit einem Keyboard ausgetrickst. Die Kabel, mit denen er nicht an den Kampfflieger angeschlossen war, steckten im Instrument. Buck steuerte die Waffen des Fliegers über
seine Gitarre an. So begleiteten die beiden unseren Ausflug mit dem schleppenden Rhythmus alter Country- und Metal-Riffs.
Wäre ich nicht so müde gewesen, hätte ich den Nutzen lauter Retro-Musik für unsere Tarnung kritisiert. Auf das Heck des unregelmäßig geformten Fahrzeugs hatte einer von ihnen »Jesus baute meinen Kampfflieger« geschrieben. Buck und Gibby gehörten zu den Leuten, die den Krieg liebten. Für sie war er nur ein langer Drogentrip und ein Gitarrensolo aus Minikanonen und Chaos-Surfing.
Wir hatten mehr Speed, mehr Slaughter und mehr Munition an Bord genommen und waren dann losgeflogen. Im Kampfflieger sagte niemand etwas. Wir alle waren trotz der Amphetamine und der Kampfdrogen viel zu müde. Die Drogen weckten den Körper, aber nicht das Bewusstsein, und das Fleisch und das Metall unserer Körper waren zwei sehr unterschiedliche Angelegenheiten. Nichts von allem war real. Es ging nur um schlechte Neuigkeiten, Drogen und Dislokation.
Niemand wollte Blickkontakt mit mir aufnehmen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Ich hatte sie verraten. Darüber hatten wir früher schon gesprochen. An welchem Punkt würden wir nein sagen? An welchem Punkt wurden Befehle so psychotisch, dass wir sie nicht mehr befolgen konnten? Wenn es jemals einen solchen Punkt gegeben hätte, wäre es dieser gewesen, um »Nein, ohne uns« zu sagen. Dass ich den Befehl nicht verweigert hatte, hatte einen ganz einfachen Grund: Angst. Ich versuchte mir einzureden, dass ich es für die Einheit tat, dass ich wirklich überzeugt war, dass Rolleston und Bran uns getötet hätten, und ich glaubte es sogar.
Rolleston kam mir nicht wie jemand vor, der bluffte oder größere Risiken einging, als seine Profession von ihm verlangte. Dazu hatte er viel zu viel Selbstbeherrschung, und Bran hätte genauso gut eine Naturgewalt sein können. Und selbst wenn wir es geschafft hätten, Rolleston und Bran zu erledigen - was dann? Wir befanden uns immer noch mehr als acht Lichtjahre von zuhause entfernt
auf einem Planeten, den unsere Feinde in Kürze überrennen würden, und leider ruhte unsere einzige Hoffnung, von dieser Welt wegzukommen, auf derselben militärischen Organisation, die uns überhaupt erst in diese Gefahr gebracht hatte. Doch in meinem Hinterkopf nagte weiter der Zweifel, dass ich es getan hatte, weil ich nicht sterben wollte. Das hatte ich verdrängt.
In der kurzen Sirius-Nacht waren wir uns des erdrückenden organischen Vormarschs bewusst, auch wenn wir nichts davon sehen konnten. Keiner von uns hatte das Bedürfnis, genauer hinzuschauen.
»Hört zu«, sagte ich.
Die sechs noch übrigen mürrischen Gesichter der Wild Boys wandten sich mir zu. Nur Gregor war kein Groll anzumerken, aber er
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