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Der Veteran: Roman

Titel: Der Veteran: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gavin Smith , Bernhard Kempen
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fadenscheinig.
    Der alte Mann steuerte uns zwischen halb untergetauchten Docks hindurch. Durch Straßen zwischen aufgegebenen Fabriken, die vielleicht schon Jahre vor dem Anstieg des Wasserpegels stillgelegt worden waren, das Testament einer sehr fernen Vergangenheit. Alles war auf unheimliche Weise still. Das einzige Geräusch war das leise Schwappen des Wassers. Dies war der Geist einer gestorbenen Stadt. Es fiel schwer, sich vorzustellen, dass hier noch irgendjemand wohnte, aber genau das war das Besondere an Hull: Es gab einem die Möglichkeit zum Aussteigen, wenn man mit der Entwicklung der Dinge nicht zufrieden war. Komm nach Hull, und man lässt dich in Ruhe, weil hier niemand etwas verloren hat.
    Wir fuhren unter dem Träger einer alten Brücke hindurch, deren Straßenoberfläche nun unter Wasser lag. Wir kamen an einem alten Geschäftsviertel vorbei und gelangten auf einen Streifen, der früher eine breite Straße gewesen sein musste. Hier waren die Gebäude eine Mischung aus Läden und Wohnungen. Natürlich war jetzt alles verlassen. Beziehungsweise fast verlassen. Im thermografischen Spektrum erkannte ich stellenweise menschenförmige Wärmequellen. Wahrscheinlich Wachposten für die Avenues. Ich sah keinen Sinn darin, irgendetwas zu sagen. Der Skipper redete nicht und wusste wahrscheinlich von ihnen, und letztlich hätte es Morag nur nervöser gemacht.

    Wir arbeiteten uns etwa eine Meile weit durch das schäumende braune Wasser dieser breiten Straße und bogen dann nach rechts auf eine ähnlich breite Straße ab, die von den Geistern von Bars und Geschäften gesäumt wurde. Morag griff nach meinem Arm. Die Leute, die uns beobachteten, wurden nun offensichtlicher.
    »Ich weiß«, sagte ich leise. Das zerfurchte Gesicht des Skippers war so leidenschaftslos wie zuvor. Vor uns konnte ich etwas erkennen, das sich über die Kanalstraße spannte. Ich zoomte es heran und sah ein Netz aus gefährlich wirkenden gestachelten Ketten, die uns den Weg versperrten. Auf der rechten Seite verschwand die Kette in einem Haus, in dem sich vermutlich so etwas wie eine Winde befand. Links erhob sich ein Gebäude, das wie ein altes Hotel oder ein Apartmentkomplex aussah. Aus einem Loch in einer Wand im ersten Stock ragte ein wackliger Steg.
    »Sind das die Avenues?«, fragte Morag.
    Der Skipper bestätigte ihre Vermutung mit einem knappen Nicken. Überall bewegten sich Gestalten. Die meisten schienen sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, aber ein paar interessierten sich offenkundig für unser kleines Boot.
    Hinter der Kette erkannte ich auf der rechten Seite eine freie Wasserfläche, die nur durch Baumstümpfe unterbrochen wurde. Dort schien das Wasser klarer zu sein, und man hatte es offenbar mit einer dünnen Kunststoffwand eingezäunt, um das schmutzige Wasser des Humber zurückzuhalten. Ich vermutete, dass es eine Fisch- oder Tangfarm war.
    Links erkannte ich eine überflutete Straße mit Reihenhäusern. Auf einem uralten ramponierten und rostigen Schild vor dem letzten Haus stand »Marlborough Avenue«.
    Der Skipper ließ das Boot etwa drei Meter vom Landungssteg entfernt anhalten. Darauf stand ein Junge, der wahrscheinlich kaum älter als Morag war. Er hatte schlechte Haut und eine
Frisur, die aussah, als hätte ihm jemand Teile der Kopfhaut abgerissen. Er trug eine lädierte gepanzerte Lederjacke und ein großes Jagdgewehr, das möglicherweise älter als unser Skipper war. Auch an ihm konnte ich nichts Kybernetisches entdecken. Wenn man nach seinem Alter ging, war er vielleicht ein Kriegsdienstverweigerer. Gut für dich, Junge , dachte ich, und weiterhin viel Glück . Bis er das Gewehr auf mich richtete. Ich fragte mich, ob es irgendwo einen Ort gab, an dem nicht ständig Waffen auf einen gerichtet wurden.
    »Das ist nahe genug«, sagte er, was nicht gänzlich überraschend kam. »Was wollt ihr?«
    Ich beschloss, ihm etwas Zeit zu geben, um ausgiebig auf meine polarisierten Linsen zu starren. »Wir wollen zum Heiden«, sagte ich schließlich.
    »Weswegen?«
    Natürlich konnte es sein, dass er einfach nur seinen Job machte oder gelangweilt war, aber ich war der Ansicht, dass ich sehr viel Zeit und Mühe investiert hatte, um hierher zu gelangen, und mittlerweile hatte ich genug von diesem Mist.
    »Geh einfach zu ihm und hol ihn, ja?«, erwiderte ich schroff.
    Der Junge lächelte. »Nein«, sagte er langsam, als hätte er es mit jemandem zu tun, der schwer von Begriff war. »Ich sagte …«
    »Ich habe

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