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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Gegensatz zu mir wenigstens über Grundkenntnisse im Umgang mit Pistolen und Gewehren verfügen.
    "Haben Sie die schon mal benutzt?"
    "Habe ich? Was glauben Sie?"
    Ich lerne ständig mehr Facetten unseres Geiselnehmers kennen. Das ist jetzt wieder einmal Fröhlich, der scheinbar ausgekochte Geiselnehmer, der bereits eine Million Euro abgezockt hat und seine Opfer ab und zu ein wenig piesackt. Dann kenne ich den wütenden Geiselnehmer, der kurz davor war, mich zu erschießen. Oder den Geiselnehmer, der gelegentlich sogar verschmitzten Humor durchblicken lässt. Hinter allen aber steckt ein Herr Fröhlich, dem das Leben wahrscheinlich wiederholt übel mitgespielt hat und für den seine Frau im Leberkoma nur der letzte Beweis ist, das es Zeit wird, sich zu wehren.
    "Das einzig Gute an der Bundeswehr war meine Ausbildung zum Elektriker. Und dass ich in dieser Zeit meine Frau kennen gelernt habe. Gleich nach der Bundeswehr wurde geheiratet."
    Herr Fröhlich heiratet Fräulein Lustig. Ich kann mir die launigen Hochzeitsreden vorstellen. "Fröhlich und Lustig, was soll da schief gehen!"
    Es sei ja auch gutgegangen, erzählt er, die ersten Jahre. Feste Anstellung als Elektriker, gutes Geld, allerdings viel unterwegs auf Montage. Nur mit dem Kinderkriegen habe es nicht geklappt. Aber sie waren trotzdem zufrieden mit ihrem Leben, hatten keine großen Sorgen. Zwei Urlaubsreisen im Jahr, ein Häuschen in der Nähe von Köln, ein bezahltes Auto.
    "Spätestens zum Wochenende war ich immer zu Hause."
    Auch der Rest der Geschichte ist leider absolut gewöhnlich. Die erste, die ihre feste Arbeit verlor, war seine Frau, Automaten für Entwicklung und Farbkopien drängten die ausgebildete Fotolaborantin vom Arbeitsmarkt. Das Problem sei nicht so groß gewesen, erst einmal fiel nur die zweite Urlaubsreise weg, und Frau Fröhlich beschäftigte sich mit verschiedenen Umschulungen und erfolgloser Jobsuche. Natürlich gab es in dieser Zeit private Schwierigkeiten zwischen einer unterforderten Frau und einem Mann auf Montage. Schließlich fand Herr Fröhlich einen Arbeitsplatz, der nur täglich zweimal eine Stunde pendeln verlangte, die Dinge kamen wieder ins Lot. Nur der Kinderwunsch blieb weiter unerfüllt.
    Dann kam die große Krise in der Bauwirtschaft, der Elektriker Fröhlich wurde entlassen und musste sich in wöchentlich längere Schlangen auf dem Arbeitsamt einreihen. Dort hat man ihn von den Vorteilen der Ich-AG überzeugt, die entsprechende Anschubfinanzierung gezahlt und ihn als freien Unternehmer aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen.
    "Und es war ja auch nicht so, dass ich keine Aufträge bekommen hätte!"
    Im Gegenteil hatte Herr Fröhlich noch einen Gesellen und sogar einen Lehrling eingestellt. Das Problem war lediglich die Zahlungsmoral der Kunden. Oft war er Subunternehmer für Bauträgergesellschaften, die bei Fertigstellung der Elektrik bereits Konkurs angemeldet hatten. Nur noch über Kredite konnte Fröhlich Gehälter und Material zahlen.
    "Aber raten Sie mal, Dr. Hoffmann, wer mir endgültig das Rückgrat gebrochen hat?"
    Ein Lachen ohne jede Fröhlichkeit begleitet seine rhetorische Frage.
    "Das Arbeitsamt! Ausgerechnet das Arbeitsamt!"
    Bei einem für seine Drei-Mann-Firma relativ großen Auftrag in deren Gebäude hatte auch das Arbeitsamt die Rechnung erst bezahlt, als Herr Fröhlich seine Mitarbeiter schon entlassen und die Firma liquidiert hatte. Arbeitslosenunterstützung bekam er jetzt keine, denn er war ja freier Unternehmer.
    "Sozialhilfe. Und jede Menge Schulden. Nur deshalb hat meine Frau bei diesem verdammten Test mitgemacht!"
    Der ehemalige Bundeswehrpionier ist kein weinerlicher Mann, das gehört nicht zu seinem Weltbild. Trotzdem ist klar, was sein Hustenanfall jetzt unterdrücken soll.
    Was kann ich dazu sagen? "Wird schon wieder werden!" – "Nun lassen Sie mal nicht den Kopf hängen!" – "Jetzt haben Sie doch Ihre Million!"
    Ich wähle ein, wie ich hoffe, unverfänglicheres Thema. "Was ich nicht verstehe: Warum haben Sie Ihren Hund mitgebracht?"
    "Stinki, sollte ich dich zu Hause lassen?"
    Stinki, der neben Herrn Fröhlich liegt, öffnet sein zweites Auge und schlägt ein paar mal kräftig mit dem Schwanz gegen den Boden, wollte offensichtlich nicht allein zu Hause warten.
    "Ich konnte Stinki doch nicht zu Hause lassen. Wer sollte ihn versorgen? Außerdem ist er sowieso mehr der Hund meiner Frau, noch aus der Zeit, als sie viel alleine war, ich immer weg auf Montage. Auch deshalb habe ich ihn

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