Der Visionist
was der Tod war, aber ich wollte gerne sehr lange dort bleiben“, sagte sie leise. „Du hast nie wirklich aufgehört, Solange zu vermissen, nicht?“
Er sah nicht mehr das Bild an, sondern nur noch Emeline.
„Ich glaube, bis jetzt war es mir selbst nicht klar, aber ich vermisse vor allem den Teil von mir selbst, der sie so geliebt hat.“
Er beugte sich vor und küsste Emeline wieder. Sie ließ denKuss immer länger andauern, und nach einer Weile zog er ihr das T-Shirt weiter über die Schulter und küsste sie dort, dann zog er es ihr langsam über den Kopf, und dann löste er ihren Pferdeschwanz, sodass ihr das Haar über die Schultern fiel.
Sie saß mit nacktem Oberkörper da und sah ihn mit einem traurigen Ausdruck in den Augen an. „Ich weiß, was du willst, und ich will es auch … Aber bitte, tu das nur, wenn du dir sicher bist, dass du wirklich mich willst.“
„Du denkst, ich suche eine andere in dir, aber das tue ich nicht, Emeline.“ Er hob ihr Kinn an, bis sie einander in die Augen sahen. „Ich suche nur dich.“
Sie lächelte, aber er konnte sehen, dass sie unsicher war. Vertrauen aufzubauen brauchte Zeit. Das verstand er. Lucian hob ihr T-Shirt auf und reichte es ihr. „Aber wir werden damit warten, bis dir diese Frage gar nicht mehr in den Sinn kommt.“
41. KAPITEL
Auf dem Flug nach Los Angeles sah Nicolas Olshling Filme auf einem der tragbaren DVD-Player, die der Flugbegleiter ausgeteilt hatte, während Lucian die meiste Zeit über zeichnete. Nicht so sehr, weil er Lust dazu hatte, sondern weil er nicht anders konnte. Ohne dass er sich bewusst entschied, welche der Frauen er zeichnen wollte, waren es die alte Frau aus Persien und die junge Frau aus dem antiken Griechenland, die ihn auf dieser Reise begleiteten. Das ergab Sinn: Diese beiden waren über Länder und Zeiten hinweg miteinander verbunden – und mit der Statue des Hypnos.
Lucian wusste durch seine Literaturrecherche zum Thema und Dr. Bellmer, die es ständig wiederholte, dass es in der Reinkarnation keine Zufälle gab. Die Menschen bekamen in jedem neuen Leben eine Chance, ihre Taten wiedergutzumachen, eine Chance, ihre persönliche Lektion und die Lektion des Universums zu lernen.
Wenn er das akzeptieren konnte, war es gar nicht mehr so verstörend, dass er an einem Fall arbeitete, in dem es um eine Skulptur ging, mit der er in zwei früheren Leben zu tun gehabt hatte; ein Kunstwerk, das mit dem Tod von zwei Frauen, Iantha und Bibi in Verbindung stand.
Zwei Morde, für die er – oder wer er einst gewesen war – verantwortlich war. Und wenn Lucian es nicht akzeptieren konnte? Dann hatte sein Unterbewusstsein seinen letzten Fall kreativ als Sprungbrett in die Fantasie genutzt. Das war das wahrscheinlichere Szenario; es war sowohl glaubhaft wie logisch. Außer dass es ihn in eine Zwickmühle brachte: Wenn er dem nicht traute, was in Dr. Bellmers Behandlungszimmer passierte, dann konnte er auch nicht glauben, dass Emeline das Gefäß für Solanges wiedergeborene Seele war. Entweder war Reinkarnation möglich oder nicht, und aus verschiedenen Gründen wollte er so verzweifelt das eine wie das andere glauben.
Etwas über fünf Stunden nach dem Abflug vom Westchester County Airport setzte ihre Maschine auf der Landebahn auf. Lucian sah auf seine Armbanduhr. 20.40 Uhr Eastern Standard Time. Er stellte seine Uhr nie um, wenn er auf Reisen die New Yorker Zeitzone verließ.
Der Matisse-Zerstörer hatte ein Treffen um 18 Uhr gefordert, was ihnen zwanzig Minuten Zeit ließ, um die Kiste auszuladen. „Kein schlechtes Timing“, sagte er zu Olshling, als das Flugzeug auf ein übergroßes Hangargebäude zurollte.
Lucian hatte keinen Vertreter des Museums dabeihaben wollen, aber sie hatten darauf bestanden. Wenn Kunst aus dem Museumsbestand zu anderen Institutionen oder Ausstellungen verschickt wurde, reiste immer ein Angestellter des Museums mit – und ganz besonders jetzt, wenn sie als Zahlungsmittel eingesetzt wurde.
Das Innere des Hangargebäudes war hoch gesichert, inklusive vier voll bewaffneter Wachen, von denen zwei schlanke, muskulöse Deutsche Schäferhunde an kurzen Leinen hielten.
„Das ganze Programm“, murmelte Lucian.
„Jede Lieferung des Met bekommt diesen Empfang.“
Als sie eben aussteigen wollten, knurrte einer der Schäferhunde, und der Hundeführer sagte ihm einige scharfe Worte.
„Verdammt. Keine Hunde, das habe ich denen doch gesagt!“, zischte Olshling.
„Das wusste ich ja gar nicht, dabei kenne
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