Der Visionist
Kunst werden gerade umgebaut. Wenn sich die Artefakte erst einmal wieder in der aktuellen Ausstellung befinden, dann wird es viel schwieriger für uns, überhaupt an sie heranzukommen.“
Zumindest bewies diese Aufnahme, dass Darius Shabaz nicht gelogen hatte: Samuels wusste nichts über den Hypnos, ihm ging es allgemein um Erinnerungswerkzeuge. Was bedeutete, dass er nichts mit Shabaz’ Tauschgeschäft um die Skulptur zu tun gehabt hatte.
Während Reed und Malachai sich weiter darüber unterhielten, wie sie am besten den Namen der Statue herausfinden könnten, schlug Lucian sein Notizbuch auf. Er blätterte durch die Seiten mit den Skizzen der Frauen, die hier immer auf ihn warteten. Mit seinem Bleistift schrieb Lucian das Wort auf eine leere Seite, für das Malachai töten würde – und vielleicht bereits schon getötet hatte. Der Name war Teil von Lucians Erinnerungen an seine früheren Leben, der Namewürde dem FBI endlich den Beweis verschaffen, mit dem sie Malachai Samuels festnageln konnten. Er reichte Comley das Notizbuch hinüber. Mitten auf der Seite stand nur das eine Wort.
Hypnos.
58. KAPITEL
„Ich halte das Vorgehen nicht für ethisch unverantwortlich. Es geht um eine äußerst wichtige Information. Wir brauchen sie, sonst haben wir keine Chance mehr, das Erinnerungswerkzeug zu bekommen.“ Dr. Malachai Samuels schaute aus dem Fenster in Iris Bellmers Büro. Es war Dienstagmorgen. Sie wusste, dass er unter großem Druck stand. Gestern Abend hatte sie es schon an seiner Stimme gehört, als er sie angerufen und gebeten hatte, heute früher zu kommen, da er eine Sache von äußerster Dringlichkeit mit ihr besprechen wolle. Jetzt spürte Iris, wie sie selbst mit erhöhtem Stress auf seinen Gefühlszustand reagier te.
„Malachai, auch wenn Sie mich noch so bitten – das kann ich auf keinen Fall tun.“ Sie schlug einen beschwichtigenden Ton an, in der Hoffnung, dass sie ihn damit etwas beruhigte. Doch er hielt sein antikes Kartenspiel in den Händen und hörte nicht auf, es ständig aufs Neue zu mischen. Ihre ruhigen, leisen Worte zeigten keine Wirkung.
„Doch, das können Sie! Rufen Sie James Ryan an und sagen Sie ihm, Sie hätten sich die Aufnahmen seiner Sitzungen noch einmal angehört. Sagen Sie ihm, Ihnen wären einige seltsame Übereinstimmungen zwischen den Erinnerungen aus seinen früheren Leben aufgefallen und dass Sie eine weitere Sitzung für hilfreich halten.“
Einen Moment war es vollkommen still im Raum, nur das leise Aneinanderschlagen der Karten war zu hören. Iris überlegte, wie sie sich weigern konnte, bei diesem Plan mitzuspielen, ohne dass Malachai wütend auf sie wurde. Er war immerhin ihr Arbeitgeber, und sie wollte auf keinen Fall ihren Job verlieren.
Malachai schien nichts von ihrem inneren Kampf mitzubekommen. Er fuhr fort: „Wenn er hier ist, hypnotisieren Sie ihn.“
„Und dann suche ich in seinen Erinnerungen nach Informationen,ohne dass er es weiß, geschweige denn zugestimmt hat? Sie wissen genau, dass ich das nicht tun kann. Es ist nicht nur unverantwortlich, sondern wahrscheinlich mache ich mich damit sogar strafbar.“
Malachai hörte auf, mit den Karten herumzuspielen. Er schaute sie an, als hätte er sie nicht richtig verstanden. Sein Blick war kalt und unnachgiebig, seine Gesichtszüge starr.
Iris hätte das Wort strafbar nicht sagen wollen, es war ihr herausgerutscht. Anderthalb Jahre lang hatte das FBI gegen Malachai ermittelt, und Iris wusste, wie sehr die Anschuldigungen seinem und dem Ruf der Stiftung geschadet hatten. Es war nicht gerade klug von ihr, ihn jetzt daran zu erinnern.
„Ich würde nie etwas Ungesetzliches von Ihnen verlangen, Iris.“ Er starrte sie so durchdringend an, dass Iris seine kalte Wut spüren konnte. „Das wissen Sie doch, oder etwa nicht?“
Sie versuchte, seinem starren Blick auszuweichen. „Ich werde das meinem Patienten nicht antun, Malachai, und Sie können auch Ihre Patienten nicht so behandeln. Sie können dieses kleine Mädchen nicht herbringen lassen und es zwingen, für Sie unter Hypnose bestimmte Informationen in einem früheren Leben zu finden.“
„Wie ich meine Patienten behandele, geht Sie nichts an!“
„Es geht mich sehr wohl etwas an. Ich arbeite auch hier, und mein Ruf als Psychologin hängt vom Ruf dieses Instituts ab. Ich habe einen Eid abgelegt, keinem Menschen zu schaden, genau wie Sie. Aber wenn wir ohne ihre Zustimmung versuchen, bestimmte Erinnerungen bei den Patienten auszulösen, dann
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