Der Visionist
Cantons fuhr.
Die Haushälterin warf einen erschrockenen Blick auf die Ausweise der FBI-Agenten und rannte davon, um ihren Arbeitgeber zu holen.
Wenige Augenblicke später kam Oliver Canton polternd in die Eingangshalle herunter. Das Gesicht des übergewichtigen Mannes war rot angelaufen, er hatte ein schlecht sitzendes Toupet auf dem Kopf und trug einen altmodischen Morgenmantel aus Seide. „Was zum Teufel ist denn hier los?“, brüllte er, als er auf die Agenten zulief. Sie wiesen sich noch einmal aus und zeigten ihm ihren Durchsuchungsbefehl.
„Sie durchsuchen hier in meinem Haus gar nichts, bis ich mit meinem Anwalt telefoniert habe!“
„Rufen Sie Ihren Anwalt ruhig an. Sagen Sie ihm aber bitte, dass wir einen Durchsuchungsbefehl haben.“ Matt hielt ihm den gerichtlichen Beschluss unter die Nase. „Falls Sie nicht kooperieren, haben wir das Recht, uns auch alleine in Ihrem Haus umzuschauen. Ihr Anwalt wird Ihnen das sicher bestätigen.“
Canton war offensichtlich nicht gewillt, sich ohne Kampf geschlagen zu geben. Er holte ein Handy aus der Tasche des Morgenmantels, tippte eine Nummer ein und erklärte dem Anwalt die Situation. Während er zuhörte, bildeten sich kleine Schweißtröpfchen auf seiner Oberlippe. Nach ein paar Sekunden beendete er das Gespräch. Alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen.
„Wo wollen Sie sich umschauen?“, fragte er.
Die FBI-Männer folgten Canton in die Bibliothek, wo er ihnenunwillig zwei Sessel an einem runden Mahagonitisch anbot.
„Ich nehme an, Sie wollen auch weiterhin im Kunsthandel tätig sein?“, begann Lucian ohne weitere Einleitung.
„Gibt es denn einen Grund, warum ich nicht weiter im Kunsthandel tätig sein sollte?“ Die aufgesetzte Selbstsicherheit in Cantons Gegenfrage war nicht zu überhören. Shabaz musste ihn schon vorgewarnt haben.
„Das hängt ganz von Ihnen ab und ob Sie bereit sind, mit uns zu kooperieren“, erklärte Matt. „Wir wissen, dass Sie Darius Shabaz zwei berühmte Gemälde verkauft haben. Er hat uns die Kaufquittungen und die gesamten Belege zur Herkunft der Bilder vorgelegt, die Sie ihm überreicht hatten. Es war alles in Ordnung.“
Canton wirkte erst erleichtert, dann leicht verwirrt. Wahrscheinlich fragte er sich, warum sie mit einem Durchsuchungsbefehl hier erschienen, wenn die Papiere in Ordnung waren.
„Das heißt – alles war in Ordnung, bis wir uns die letzten Besitzer der beiden Gemälde genauer anschauten. Beide Namen sind falsch. Von wem haben Sie diese Bilder gekauft, Mr Canton? Wie heißen die Vorbesitzer wirklich? Sind die Besitzer auf Sie zugekommen, weil sie ihre gestohlenen Bilder über Sie verkaufen wollten? Oder haben Sie aktiv nach Bildern von diesen Künstlern Ausschau gehalten?“
„Das sind die Namen, die mir die Verkäufer der Bilder genannt haben. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es nicht ihre richtigen Namen sind! Ich kann doch nichts dafür, wenn die Leute mich anlügen. Die Gemälde waren echt, das war das Wichtigste für mich.“
„Erzählen Sie doch keinen Scheiß!“, entfuhr es Lucian. „Sie wussten doch ganz genau, was Sie tun! Wer hat Ihnen den Matisse und den Van Gogh verkauft? Die wirklichen Namen! Raus damit!“ Lucian donnerte mit der Faust auf die Tischplatte. Er war müde und litt unter Jetlag, sein Kopf dröhnte, und er war absolut sicher, dass dieser Mann log, dass sichdie Balken bogen. Canton hatte gewusst, dass er Hehlerware kaufte; wahrscheinlich hatte er den Diebstahl der Gemälde sogar selbst geplant und ausführen lassen.
„Mein Anwalt sagt, dass ein Durchsuchungsbefehl Sie nicht dazu berechtigt, mich offiziell zu verhören. Ich habe Ihre Frage nur beantwortet, um Ihnen zu zeigen, dass ich kooperationsbereit bin.“
Lucian erhob sich. Matt tat es ihm nach, und beide fingen sie an, die Aktenschränke aufzuziehen und Papiere und Ordner auf den Tisch zu stapeln.
„Was tun Sie denn?“, brüllte Canton.
„Wir beschlagnahmen Ihre Unterlagen. Offensichtlich wollen Sie nicht mit uns kooperieren.“
Canton griff nach einem Glas Wasser, das schon auf dem Tisch stand. Seine Hand zitterte so sehr, dass das Wasser überschwappte, als er es zum Mund führte. Er nahm einen großen Schluck und fragte dann: „Was wollen Sie?“
„Die Männer, mit denen Sie zusammengearbeitet haben“, sagte Lucian. „Wer hat diese Gemälde für Sie gestohlen? Haben Sie gezielt nach diesen Bildern gesucht? Haben Sie verbreiten lassen, dass Sie einen Käufer für diese Bilder haben? Sagen
Weitere Kostenlose Bücher