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Der Visionist

Der Visionist

Titel: Der Visionist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose M J
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Schmerzmitteln und der Prognose, dass die Kopfschmerzen sich noch über einige Wochen oder sogar Monate hinziehen könnten, bevor sie ganz verschwinden würden. Sogar den internationalen Flug hatten sie ihm erlaubt, als er ihnen versprach, dass er zu Hause erst mal krankgeschrieben würde.
    Gestern war er zur Arbeit erschienen, doch Douglas Comley, sein Vorgesetzter und Leiter des ACT, hatte ihn sofort wieder aus dem Büro hinauskomplimentiert mit dem Befehl, Lucian habe den ärztlichen Rat zu befolgen und sich mindestens noch eine Woche zu Hause zu erholen.
    Seine Hand fuhr in langen Strichen über das Papier, ermalte die Umrisse des Kinns der Frau aus, dann ihren Hals und ihr Schlüsselbein. Er dachte nicht bewusst an das Malen, seine Hand bewegte sich wie von selbst. Stattdessen dachte er an das, was Comley ihm noch gesagt hatte.
    Wenn Malachai Samuels wieder so weit hergestellt war, dass er verhört werden konnte, dann würde nicht Lucian die Befragung durchführen. Matt Richmond würde Samuels über die Liste der Erinnerungswerkzeuge befragen, die aus den Räumen der Memoristen gestohlen worden waren und für die Dr. Erika Aldermann gestorben war.
    Matt war der optimistische, energiegeladene Teil ihres Teams, und Lucian vertraute ihm blind. Doch dies war nicht Matts Fall.
    „Diese Befragung sollte ich durchführen, Sir.“
    „Ich kann Ihnen tausend gute Gründe nennen, warum gerade Sie diese Befragung nicht durchführen sollten! Ganz oben auf der Liste steht die Tatsache, dass Sie dem Mann in Wien das Leben gerettet haben. Er weiß das, und Sie wissen das. Halten Sie das für eine objektive Grundlage für ein Verhör? Dazu kommt, dass Sie immer noch unter der Verletzung leiden, die Ihnen genau bei dem Angriff zugefügt wurde, um den es in dem Verhör gehen soll. Sie gehören zu den Opfern, Lucian!“
    „Es ist immer noch mein Fall.“
    „Nach dem, was in Wien passiert ist, beschäftigt der Fall die ganze Abteilung, Agent Glass.“
    Wenn Comley anfing, seine Leute mit dem Nachnamen anzureden, war es höchste Zeit, den Mund zu halten. Aber Lucian schaffte es nicht. „Ziehen Sie mich von dem Fall ab?“
    „Nein. Sie werden nicht vom Fall abgezogen, aber ich will Sie nicht in der Nähe von Malachai Samuels sehen.“ Er reichte Lucian eine Akte. „Hier drin können Sie nachlesen, woran wir gerade sind. Das ist alles, was wir haben. Aber wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Lassen Sie die Akte zu. Gehen Sie nachHause, Lucian! Schlafen Sie sich aus. Gehen Sie ins Kino, lesen Sie ein Buch. Gehen Sie mit jemandem essen. Rufen Sie Gilly an. Vielleicht rauft ihr euch ja wieder zusammen …“
    „Als würde es ihr plötzlich nichts mehr ausmachen, dass ich sofort wieder hier auf der Matte stehe und so viel arbeite wie immer, sobald Sie mich zurück an meinen Fall lassen. Vielen Dank auch, Sir“, unterbrach ihn Lucian. Er klemmte sich die Akte unter den Arm und stand auf.
    „Ich sehe es gern, wenn meine Agenten ihren Job hundertprozentig ernst nehmen, aber dieser Fall ist schon lange nicht mehr nur ein Job für Sie. Sie haben eine Mission draus gemacht. Und zwanghaftes Verhalten kann schädlich sein.“
    Manchmal wünschte Lucian sich, dass er diese väterlichen Anwandlungen seines Chefs besser schätzen könnte. Aber Comley hatte sich offenbar in den Kopf gesetzt, dass es gut für Lucian wäre, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen. Allerdings kannte er ihn auch so gut, dass er ihm die Akte gegeben hatte. Lucian musste wissen, was darin stand. Es verstörte ihn, wie wenig stichhaltige Indizien es für den Täter gab. Die österreichische Polizei hatte gründlich ermittelt, doch keine Verdächtigen beibringen können. Der Täter hatte sich durch einen Tunnel unterhalb des Gebäudes Einlass in die verschlossene Bibliothek der Memoristen verschafft. Anscheinend war Wien von einem komplexen Tunnelsystem unterhöhlt: Die alten Besiedelungsschichten reichten bis in die Zeit der Römer zurück und hatten Gräben, Abwasserröhren und unterirdische Gänge hinterlassen. Angeblich konnte man vom einen Ende der Stadt zum anderen gelangen, ohne jemals Tageslicht zu sehen.
    In der Akte fanden sich handgezeichnete Karten von einer ganzen Reihe von Gängen, die sich durch christliche Katakomben aus dem 13. Jahrhundert unterhalb der Karmeliterkirche schlängelten, einer barocken Kirche in der Leopoldstadt. Einige dieser Gänge endeten im untersten Kellergewölbe desGebäudes der Gesellschaft der Memoristen. Eine Treppe, die

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