Der Visionist
so gewesen war. Ja … für einen Moment machte sich die Überraschung in seinem Gesicht breit. Sie redete weiter und sah, wie er sich zuerst wehrte, dann nachgab. Schließlich überwältigte ihn der fortwährende, unwiderstehliche Sog der Tiefenentspannung, seine Züge wurden schlaff, und er glitt in einen hypnotischen Trancezustand.
„James, ich möchte, dass Sie heute wieder zurück nach Griechenland reisen, in die Zeit, als Sie ein junger Bildhauer namens Telamon waren.“ Sie schwieg und ließ ihn von selbst durch die Zeit gleiten, sein Leben verlassen und in ein anderes eintauchen, das er weit zurück in der Vergangenheit gelebt hatte.
„Sind Sie in Delphi mit …“
Sein Aufschrei unterbrach sie. „Iantha!“
„Was ist los?“
„Iantha!“
„Telamon, tritt weg von dem, was du siehst. Geh in der Zeit zurück zu einem Augenblick, in dem alles noch in Ordnung war.“
James wurde wieder ruhiger, und der gequälte Ausdruck in seinem Gesicht verschwand. Er wirkte nun gelassen und blickte liebevoll in die Welt.
„Sag mir, wo du dich befindest.“
„In meiner Werkstatt.“
„Die Werkstatt gehört dir?“
„Ja. Vangelis ist vor vier Monaten gestorben. Iantha und ich waren bei ihm, und sein Tod war traurig. Aber er ist in Frieden von uns gegangen.“
„Erzähl mir von Iantha.“
Telamon lächelte. „Sie ist meine Frau und hilft mir in der Werkstatt. Wir stellen gerade die Aufträge fertig, die in Verzug geraten sind, weil Vangelis krank wurde.“
„Dein Geschäft läuft also gut?“
„Das würde es, wäre da nicht Zenobia. Er eröffnete seine eigene Werkstatt, nachdem Vangelis ihn vor zwei Jahren gefeuert hat. Und jetzt setzt er alles daran, um uns die Aufträge wegzuschnappen.“
Immer wieder war Iris fasziniert davon, wie leicht Patienten in einer Reinkarnationstherapiesitzung ins Erzählen kamen. „Und gelingt es ihm?“
„Ja. Zenobia ist intelligent, und er kennt keine Skrupel. Iantha sagt, sie hätte keine Angst vor ihm, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Er verbreitet alle möglichen Lügen, nur um meinen Ruf zu zerstören. Und das alles nur, weil Vangelis mich als seinen Nachfolger erwählte.“
„Und weil Iantha dich zu ihrem Mann nahm und nicht ihn.“
Telamon lächelte.
„Wie schlimm sind die Gerüchte, die Zenobia in die Welt setzt?“
„Sehr schlimm. Nicht einmal bei der Anhörung haben wir Recht bekommen.“
„Welche Anhörung?“
„Drei Wochen nach Vangelis’ Tod brach Zenobia in die Werkstatt ein und zerstörte eine Statue, den wichtigsten Auftrag, an dem wir gerade arbeiteten. Wir waren noch in Trauer, doch ich sah ihn wegrennen und bin ihm nach. Leider habe ich ihn nicht mehr erwischt, sein Vorsprung war zu groß. Am nächsten Morgen sprach Zenobia bei dem Edelmann vor, der die Statue bei uns in Auftrag gegeben hatte. Er erzählte ihm, die Statue wäre in der Nacht zerstört worden und dass wir den Auftrag nun nicht mehr vollenden könnten. Er bot ihm an, selbst die Statue zu fertigen, und hat uns so den Auftrag gestohlen. Ich beschwerte mich bei Gericht, und wir erreichten, dass es zur Anhörung kam – ein Witz von einer Anhörung, wie sich nachher herausstellte. Wir trugen unsere Standpunkte vor dem Gericht vor. Zenobia behauptete, er sei unschuldigund wäre in der Nacht, als die Statue zerstört wurde, nicht einmal in Delphi gewesen. Er sei auf der Rückreise von Opus gewesen, wo er viele Tage lang an einem Fries für einen Tempel gearbeitet habe. Doch Zenobia war schon am Tag vor dem Einbruch zurück von der Reise. Er folgte Iantha heimlich vom Markt nach Hause, und sie hatte ihn gesehen. Er hat sie schon öfter verfolgt.“ Telamon schüttelte den Kopf und ballte die Hände auf seinem Schoß zu Fäusten. „Das erzählte ich den Geschworenen, doch Iantha hatte keine Beweise, und so sprachen die Geschworenen ihn frei. Wahrscheinlich hat er sie bestochen.“ Der Ärger war Telamon jetzt deutlich anzusehen, auf seiner Stirn und der Oberlippe sammelte sich Schweiß.
Iris konnte förmlich spüren, wie die Wut in ihm hochkochte. „Kannst du jetzt in der Zeit vorwärtsgehen zu dem Tag, an dem es zu einem neuen Konflikt für dich und Iantha gekommen ist?“
Telamon atmete schwer. Der Ärger in seinen Zügen verschwand, stattdessen machte sich Trauer breit.
„Was ist passiert?“
Er reagierte nicht, sondern runzelte nur die Stirn.
„Telamon?“
„Iantha.“ Das eine Wort war ein Klagelaut.
„Telamon, was geschieht gerade?“
„Iantha“, sagte
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