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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Feuerlilien und Fuchsien.
    Aber jetzt türmten sich Berge faulenden Laubs gegen die Mauern, und hier lagen, zum Teil hinter dem Garageneingang verborgen, die skelettierten Überreste eines Hundes, der sich im Dezember 1999 hierher verlaufen hatte. Die Vorhänge blieben tagsüber geschlossen. Der Putzfrau war wegen der Schwierigkeiten, die sie machte, vor Monaten gekündigt worden, und allmählich war ein Teil des Hauses unbewohnbar geworden. Nur während der Nacht kam der Besitzer noch dorthin und schlurfte durch den Unrat. Tagsüber war die schwere Eichentür, die in diesen Teil des Hauses führte, verschlossen. Mr. T. Harteveld konnte nicht riskieren, daß unerwartete Besucher seine Besitztümer sahen. Seine Habe…
    Heute abend hatte er die Tür verschlossen und befand sich
nun im »öffentlichen Bereich«, jenem Teil, den er Außenstehenden zeigen konnte: die Eingangshalle, die Küche, die Garderobe, das kleine Arbeitszimmer und das Wohnzimmer, wo er im Moment am Kamin vor dem Porträt seiner Eltern stand.
    Den Nachmittag hatte er mit Putzen verbracht, um alles für den Abend sicher zu machen; er hatte einen Schlauch ins Abwaschbecken der Hauptküche gehängt und den Abfalleimer mit Desinfektionsmittel ausgespült. Dennoch hatte ihn der Geruch überwältigt. Er kam von – aber an diesem Punkt hatte er, die Hand auf die alte Tür gelegt, gezögert. Lange Zeit starrte er auf die Einlegearbeit der Paneele, auf den Bambus und die kleinen Brückchen, auf denen Geishas mit Sonnenschirmchen standen. Nein. Er wandte sich ab. Das Chaos dort drinnen ließ sich nicht beseitigen.
    Jetzt schluckte er zwei Buprenorphin und spülte sie mit Pastis und Wasser hinunter. Dann öffnete er mit dem spitzen Nagel seines kleinen Fingers die Schnupftabakdose aus Lapislazuli und stopfte sich eine Portion Koks in den linken Nasenflügel. Den Rest verrieb er auf dem Zahnfleisch und schloß einen Moment die Augen.
    Wenn sie nicht bald käme, würde er explodieren.
    Er biß sich auf die Lippen und starrte auf das Porträt seiner Eltern; Lucilla und Henrick.
    Nein, stellte er fest, er würde nicht explodieren. Statt dessen würde er sich auf den Kaminsims schwingen, warten, bis er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sich dann vorsichtig nach vorn beugen und sehr exakt, ohne viel Aufhebens Lucillas Gesicht aus der Leinwand beißen.

14. KAPITEL
    D as Schlachtfeld.«
    Das Wort sprang Caffery von den Aushängen der Zeitungsläden her an, als er nach St. Dunstan fuhr. Gestern abend war die Nachricht von der Polizei bestätigt worden, und jetzt wimmelte es vor Journalisten in Greenwich, die die Straßen verstopften, die Anwohner belästigten und vor Norths Betonwerk ein Lager aufgeschlagen hatten. Der Aufmacher der Sun lautete: »Jahrtausendterror«, mit Farbfotos von Shellene, Petra, Michelle und Kayleigh über einem Schwarzweißfoto des Betonwerks. Der Mirror brachte ein Einzelporträt von Kayleigh. Sie trug ein pinkfarbenes schulterfreies Kleid und hielt ein Glas in die Kamera. Wie vorauszusehen, gab es Vergleiche mit den Wests, Fotos aus der Cromwell Street 25. »Wie konnte das wieder passieren?« fragte die Sun. Wie vorauszusehen bezeichnete der Mirror den Mörder als »Millennium-Ripper«. Caffery hatte mit Essex gewettet, daß dies die beliebteste Bezeichnung werden würde.
    Der Rest des AMIP schloß sich mit dem Geheimdienst in Dulwich zusammen. Sie nahmen Gemini ins Visier und überprüften, ob er bereits aktenkundig war und schon von einer anderen Dienststelle gesucht wurde. Also fuhr Caffery, dem bewußt war, daß die Zeit jetzt lief, allein zum St.-Dunstan-Krankenhaus. Er parkte am Fuß von Maze Hill, wo die Lindenbäume und die roten Mauern des Greenwich Parks endeten.
    Sie halten absolut dicht, diese Leute aus den Personalabteilungen, Jack. Kein Richter im ganzen Land wird die Erlaubnis geben, die Personalakten eines ganzen Krankenhauses offenzulegen,
nur weil ein grünschnäbliger Detective irgendeine »Eingebung« hat.
    Doch jetzt war es mehr als eine Eingebung, mehr als bloß ein Gefühl, inzwischen war er überzeugt, daß der Mann, nach dem er suchte, dieses Gebäude kannte. Egal, welche Wendung die Sache auch nehmen mochte, er war sicher, daß hier alle Fäden zusammenliefen. Er stand einen Moment vor dem Krankenhaus und glaubte, an den grauen Gebäuden und den leuchtendgelben Containerkabinen etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Der Himmel über dem Verbrennungskamin war von demselben satten, surrealen Blau wie Jonis

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