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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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nennen willst. Drogen, in Ordnung? Ich bin nicht von den Bullen.«
    Gemini entspannte sich ein bißchen. »Is’ ja gut, is’ ja gut. Ich hab’ ein bißchen was. Ich deal hauptsächlich mit Koks oder Kiff, weißte.«
    »Ein Briefchen.«
    »Eines?«
    »Ja. Ich krieg’ was, wo ich hingeh’.«
    Er hatte sich einen größeren Deal erhofft, aber sein Lächeln ließ nicht nach. »In Ordnung, Süße. Das gibt’s für’n Zehner.«
    »Dann los.«
    »In Ordnung. In Ordnung.« Aus der Tasche seiner blauen Helly-Hansen-Jacke zog er ein kleines zusammengefaltetes Briefchen, das er auf seine Handfläche legte. Er hielt es zwischen Zeige- und Mittelfinger fest und streckte die Hand zwischen den Vordersitzen durch. Sie sollte lieber nichts fallen lassen, dachte er. Am Ende der Nacht würde er direkt zur Creek Road runterfahren und seinen Wagen innen und außen reinigen lassen. Er hatte gehört, daß die Bullen bestimmte Techniken hatten, womit das kleinste Körnchen Stoff aufgespürt werden konnte.
    Das Mädchen überprüfte es, verschloß das Briefchen wieder und bezahlte ihn. »Fahren wir.«
    Gemini legte krachend den Rückwärtsgang ein. »Crooms Hill?«
    »Ja. Auf der Seite von Blackheath.«
    Auf dem Hügel hielten sie bei einer Fußgängerampel an.
    »Bieg hier rechts ab, dann kannst du mich absetzen.«
    »Wohnst du hier oben?«
    »Mein Freund wohnt hier.«
    »Wirklich?« Er trommelte mit den Fingern aufs Steuerrad und sah sie im Spiegel an. In den letzten paar Monaten hatte er eine Reihe von Mädchen hier abgesetzt, und sie alle hatten das gleiche gesagt. Vielleicht wohnte ein Freier hier oben. »Wer ist denn dein Freund, Süße?«

    »Ein Freund eben.« Das Mädchen sah aus dem Fenster und rauchte weiter. Sie hatte ein kleines Muttermal über dem linken Mundwinkel.
    »Ich hab’ hier oben schon ein paar andere von den Mädchen abgesetzt.«
    »Wirklich?« Sie war nicht interessiert.
    »Ein paar weiße Mädchen.«
    »So?«
    Es wurde grün. Gemini bog rechts ab und freute sich, wie gut sich der Wagen anfühlte. »Sie sind in eines der großen Häuser gegangen. Weißt du, was ich meine?« Er grinste sie im Rückspiegel an, aber sie beachtete ihn nicht.
    »Du kannst hier anhalten.«
    Gemini fuhr an den Randstein und nahm den Gang heraus. »Vier Pfund.«
    Sie stieg aus, schlug die Tür zu und steckte eine Fünfpfundnote durch den schmalen Fensterspalt.
    »Und, hey …«
    »Ja?« Er sah grinsend auf.
    »Laß den Yardie-Mist …« Sie hob elegant den Finger und ihre Augenbrauen waren sarkastisch nach oben gezogen. »Weil du dich wie ein echtes Arschloch anhörst, verstanden?«
    Sie wandte sich ab. Gemini nahm den Geldschein von seinem Schoß und sah zu, wie sie im Zwielicht davontrippelte. Er war nicht beleidigt.
    »Du hast vielleicht ’nen süßen Niggerarsch unterm Rock, Mädchen«, flüsterte er, immer noch grinsend. »Da kriegt einer ein saftiges Stück heut nacht.«
    Sie ging um die Biegung nach Crooms Hill, und Gemini ließ den Wagen ein paar Meter vorwärts rollen. Aber sie war verschwunden. Er wartete eine Weile, um zu sehen, ob sie hinter der Straßenbiegung wiederauftauchen würde, aber er sah sie nicht mehr. Mücken kreisten träge unter den Sicherheitslampen eines Hauses, das von einer Backsteinmauer umgeben war. Die Straße blieb leer. Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den
Kopf, dann drehte er mit voller Lautstärke Shabba Ranks auf und fuhr wieder nach East Greenwich hinunter.
    Erst als er zu dem Pub zurückkam, erinnerte er sich, wann er diese Shellene, nach der die Bullen ihn gefragt hatten, zum letzten Mal gesehen hatte. Letzte Woche. Letzten Montag. Nachdem sie ihm einen geblasen hatte, hatte er sie genau an derselben Stelle abgesetzt.

13. KAPITEL
    D as Haus:
    Eine weitläufige Regency-Villa, von der Straße zurückversetzt, in einem ummauerten Garten, der von dichten hohen Zedern umsäumt war. Einst gehörte sie einem reichen Gönner des Bloomsburyzirkels, der Grissaille- und Trompe-l’œil-Malereien in Auftrag gegeben hatte. Es gab sogar eine siebzig Quadratmeter große Orangerie, die angeblich von Lutyens stammte. Die letzten Besucher des Hauses hätten sich wahrscheinlich an Gärten erinnert, die viel weitläufiger waren, als sonst bei Stadthäusern üblich. Man konnte in einem der vielen abgetrennten Bereiche untertauchen und sich inmitten der Ziergärten und Spalierpflaumen verirren. Weiße Heckenrosen wucherten über Laubengänge, Bienen flogen durch die Eibenalleen und suchten nach

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