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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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über die leeren Zufahrtswege wehten, und Caffery war erneut verblüfft über die seltsame, gottverlassene Einsamkeit dieser Gegend.
    Das Gelände des Betonwerks hatte sich dramatisch verändert. Der Fundort war nicht freigegeben worden, aber die Spurensicherung
hatte ihre Suche nach Fingerabdrücken inzwischen abgeschlossen; die Geräte zur Untersuchung des Bodens waren verschwunden, das Förderband und die Siebe waren außer Betrieb, und die Metallbarrieren, die die Presseleute zurückhalten sollten, standen überflüssig herum; an einer Barriere flatterte noch träge ein Stückchen Absperrband.
    Detective Constable Betts saß unauffällig in seinem Dienstwagen am Ende der Auslieferstraße und wärmte sich das Gesicht in der Abendsonne. Caffery erwiderte seinen Gruß und duckte sich unter dem Absperrband hindurch. Seitdem er das letzte Mal hier gewesen war, war überall frisches, regennasses Grün hervorgesprießt. Er marschierte in Richtung Bugsby Way zurück, den gleichen Weg, den er in jener ersten Nacht mit Fiona Quinn gegangen war. Es war schwieriges Gelände, seltsam lange, schlammfarbene Halme schlangen sich um seine Fußgelenke, und als er das andere Ende der Umzäunung erreicht hatte, waren die Schatten länger geworden, und seine Socken waren durchweicht und mit Samenkapseln besät.
    Er blieb stehen, hob mit halbgeschlossenen Augen das Gesicht in die Luft und roch den schlechten, bitteren Geruch von wildem Mohn, der sich mit den Gerüchen des Flusses vermischte. Auf dieser Seite des Zauns war nur eine größere Öffnung gefunden worden. Auf der Lieferstraße gab es zahlreiche Löcher. Die anerkannte Theorie lautete, daß der Täter in der Lieferstraße geparkt und die Leichen fast eine Viertelmeile über das schwierige Gelände geschleppt hatte, dann zum Wagen zurückgekehrt war, um den Gartenspaten zu holen, den er, wie man annahm, zur Aushebung der Gräber benutzt hatte. Caffery glaubte, daß der Vogelmann einen Grund gehabt haben mußte, vor den Morden hierherzukommen oder hier vorbeizufahren. Ein Angestellter des St. Dunstan käme auf seinem Heimweg zu einer Vielzahl von Orten hier vorbei, gleichgültig, ob er in Kent, Essex oder sogar in einigen Vierteln von Blackheath wohnte.
    Ein Fetzen von Detective Quinns fluoreszierendem Band,
das bei der Suche nach Fingerabdrücken abgerissen und weggeworfen worden war, lag zu Cafferys Füßen. Er hob ihn auf, sah ihn genau an und drehte ihn zwischen den Fingern. All die Flaschen und Dosen von Heineken, Tennants, Red Stripe, Wray und Nephew, die von hier mitgenommen worden waren, wurden nun mit Abdruckpuder bestäubt und in der Asservatenkammer von Shrivemoor aufbewahrt.
    Wray und Nephew – Rum – Gemini – Drogen. Irgend etwas an dieser Verbindung schien von Bedeutung zu sein. Drogen und die Fesselspuren an Spaceks Hand- und Fußgelenken.
    Nur Spacek hatte sich gewehrt. Irgendwo war eine Verbindung zwischen allem. Zwei Seemöwen strichen über das Gelände und beobachteten ihn. Cafferys Gedanken bewegten sich so langsam voran wie die Wolken.
    Vier der Mädchen waren drogensüchtig. Nur Spacek nicht. Es gab einen Zusammenhang. Er ließ das Band fallen und drehte es mit der Fußspitze um.
    Etwas – ein Band? –, um Spacek zu fesseln. Drogen.
    Und dann war es ihm mit einem Schlag klar. Er legte den Kopf zurück, holte tief Luft und war überrascht, daß sein Herz klopfte.
    Der Täter mußte Spacek fesseln, weil sie die einzige war, die nicht stillhalten wollte. Sie war keine Drogensüchtige, er konnte sie nicht überreden, sich eine Nadel in den Nacken stoßen zu lassen. Das Ziel bestand weder darin, den Mädchen Drogen zu verabreichen, damit sie stillhielten, noch bedrohte er sie. Die Wahrheit war viel einfacher, viel tragischer.
    Die Opfer machten es freiwillig; sie beugten sich vor, hielten vielleicht sogar das Haar noch hoch und legten es übers Handgelenk, um ihm den Zugang zu der verletzlichen Stelle aus Knochen, Sehnen und Liquor zu erleichtern, an dem sich das neurale Schaltzentrum befindet. Der Hirnstamm. Er hatte sie überzeugt, daß sie genau das wollten, daß es die schnellste Möglichkeit sei, high zu werden, »der schnellste Weg in den Blutkreislauf«, und sie waren verzweifelt genug, um es auszuprobieren.
Er verfügte über genügend rudimentäre medizinische Kenntnisse, besaß Selbstbewußtsein und kannte den Jargon. So konnte es sich abgespielt haben, vor allem, wenn die Mädchen, deren Willen von jahrelangem Heroinmißbrauch geschwächt

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