Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Korkenzieher. »Und das. Eine ganze Tüte frischer Feigen. Ich hoffe, Sie haben sich nicht auf einen Hamburger gefreut.«
    »Das heißt also, wir trinken etwas zusammen.«
    »Ja, und?«
    Er zuckte die Achseln, zog sein Jackett aus, setzte sich ins Gras und nahm ihr die Flasche ab. »Ich mache mir deswegen keine Sorgen.«

    »Wie auch immer. Sie wollten schließlich mich sehen.«
    »Stimmt.«
    »Warum? Was wollen Sie?«
    Die Wahrheit? Ich würde gern, ich würde gern …
    Er räusperte sich und begann, die Folie vom Flaschenkopf abzuziehen. »Wir haben ihn. Es war Toby Harteveld. Wir haben es vor einer Stunde an die Presse gegeben.«
    »Oh.« Rebecca stellte den Rucksack ab und strich sich das Haar hinter die Ohren. »Toby.«
    »Noch etwas.«
    »Was?«
    »Er ist tot. Sie werden es im Fernsehen sehen, ich wollte, daß sie es gleich erfahren. Er sprang heute morgen um zehn Uhr von der London Bridge.«
    »Ich verstehe.« Sie atmete langsam aus und starrte auf das Londoner Häusermeer, das sich unter ihnen ausbreitete; stromaufwärts reckte die London Bridge ihre eisernen Arme aus dem blauen Dunst, und stromabwärts, in der Nähe des smogverschmutzten Horizonts, schimmerte der Millennium Dome wie ein polierter Knochen vor dem blauen Himmel. Jenseits davon das Betonwerk. »Es ist also vorbei.«
    »Wahrscheinlich.«
    Rebecca sagte lange nichts. Schließlich, als hätte sie eine Entscheidung getroffen, alles abgeschüttelt, nahm sie zwei Gläser aus dem Rucksack und stellte sie neben ihn ins Gras. Sie sah ihn an und lächelte. »Wir haben etwas gemeinsam. Sie und ich.«
    »Gut.« Caffery zog den Korken aus der Flasche. »Und was?«
    »Die Fingernägel.« Sie sah auf ihre Hand. »Seitdem diese Sache angefangen hat, konnte ich nichts anfassen, ohne daß meine Nägel splitterten. Ich würde sagen, das kam von dem ganzen Streß.« Sie schwieg einen Moment. »Und bei Ihnen?«
    Er lächelte und hielt seinen verfärbten Daumennagel hoch. »Das?«

    »Ja.«
    »Oh, Sie möchten es wirklich wissen?«
    »Natürlich.«
    »Also gut. Wir hatten ein Baumhaus. Damit fängt es an.«
    »Ein Baumhaus?«
    »Es ist fast nichts mehr davon übrig. Vielleicht zeige ich Ihnen eines Tages, wo es war.«
    »Das würde mich freuen.«
    »Mein Bruder Ewan hat mich gestoßen. Ich war acht. Das Schwarze hätte herauswachsen sollen, ist es aber nicht. Den Ärzten ist es ein Rätsel. Ich bin ein medizinisches Wunder.«
    »Ich hoffe, Sie haben ihn deswegen umgebracht?«
    »Wen?«
    »Ihren Bruder.«
    »Nein, ich…« Er stockte. »Nein. Ich habe ihm vergeben, glaube ich.«
    Er schwieg, und Rebecca runzelte die Stirn. »Was ich gesagt habe …«
    »Nein, lassen Sie nur, schon gut.« Er entkorkte die Flasche und goß Wein in ihr Glas.
    »Es tut mir leid, ich wollte nicht, ich bin manchmal ein bißchen taktlos.«
    »Nein, nicht!« Er hob die Hand und zwang sich zu einem Lächeln. »Nein, wirklich, Rebecca. Machen Sie sich deswegen keine Gedanken.«
    Sie sahen einander an, Rebecca verwundert, Caffery mit einem zuversichtlichen, verlogenen Lächeln, das auf seinem Gesicht klebte. Das Handy in seiner Jackettasche nutzte die peinliche Pause und klingelte laut, worauf beide zusammenzuckten.
    »Gott.« Er stellte die Flasche ab, griff hinüber, erwischte mit dem Mittel- und Zeigefinger den Ärmel und zog die Jacke übers Gras. »Gerade im richtigen Moment. Tut mir leid.«
    »Macht nichts.« Sie hockte sich wieder hin und war halbwegs dankbar dafür, aus der Klemme zu sein. Er meldete sich.

    »Ich habe es getan.« Sie war fast nicht zu hören.
    »Veronica?«
    »Ich habe es getan.«
    Caffery warf Rebecca einen Blick zu, wandte sich ab und legte die Hand um die Sprechmuschel. »Veronica, wo bist du?«
    »Ich habe es getan. Ich habe es schließlich getan.«
    »Sprich nicht in Rätseln.«
    Schweigen.
    »Veronica?«
    »Du Mistkerl.« Sie schnappte nach Luft, als würde sie weinen. »Du hast es verdient.«
    »Hör zu…«
    Aber sie hatte eingehängt.
    Caffery seufzte, legte das Telefon zwischen seine Füße und sah zu Rebecca auf. Sie zog mit dem Stiel eines Pinsels Linien durchs Gras und sah ihn nicht an.
    »Wer war das?« fragte sie schließlich.
    »Eine Frau.«
    »Oh. Veronica?«
    »Ja.«
    »Was wollte sie?«
    »Aufmerksamkeit.«
    »Nun …« Sie legte das Kinn auf die Hand und sah zu ihm auf. »Wird sie die von Ihnen bekommen?«
    »Nein.«
    Rebecca nickte. »Ich verstehe.«
    Sie glaubt dir nicht, Jack.
    Er suchte nach einer Zigarette, und plötzlich erhob sich hinter

Weitere Kostenlose Bücher