Der Vorfahr: Eine Seele in der Steinzeit (German Edition)
Auch ich machte mit ausgebreiteten Armen eine leichte Verneigung. Natürlich ohne dabei auf die Knie zu fallen.
»Das ist Asfa, der die Steine sprechen lässt. Das Große alte Mammut hat ihn hierher geschickt. Ich werde dir noch viel von ihm zu erzählen haben. Er ist zwar kein Schamane, aber er ist ein Nachfahre des Od!«
Homöopatha sah mich respektvoll an. Sie hatte graues Haar und um ihre großen dunklen Augen hatten sich nicht mehr weichende fröhliche Fältchen festgesetzt. Ihr Körper jedoch war straff und stark. Die braune Haut ihrer Arme glatt und glänzend. Ihr Blick voll mütterlicher Wärme. Ich fühlte mich wohl in ihrer Nähe.
Die Tänzerinnen am Feuer hatten ihr Stampfen unterbrochen. Sie schauten neugierig zu uns herüber.
Eine zog mit magischer Kraft meinen Blick auf sich. Sie sah zart aus. Fast schmächtig zwischen den anderen Weibern mit den ausladenden Hüften und vollen Brüsten. Diese eine, schmale, hatte langes hellblondes Haar. In ihrem Gesicht ahnte ich einen großen Mund mit vollen Lippen und helle sanft blickende Augen. Einen Augenblick lang starrte sie mich an. Einen Augenblick lang versank die Welt. Einen Augenblick lang war mein Geist Ihr Geist. Einen Augenblick lang war ihre Seele meine Seele. Einen kostbaren wunderbaren Augenblick lang. Dann zerriss das unsichtbare Band zwischen uns.
»Spiel endlich weiter«, rief eines der Weiber. »Wir wollen tanzen.«
Homöopatha und Ojun, die mich aufmerksam beobachtet hatten lachten.
»Spiel ruhig«, meinte Ojun fröhlich.« Wir wollen weiter. Wir sehen uns später noch.«
Wie betäubt ging ich neben Ojun her. Der Schmerz in meinen Füßen war vergessen. Das Knurren meines Magens ebenso. Zum ersten Mal war ich dir begegnet, Yrsig, und ich glaubte, ich hätte den verlorenen Teil meiner Seele gefunden. Und ich glaubte es bis zu dem Vorfall am großen Feuer, als du den Hinkelsteintyp für dich gewinnen wolltest.
»Diese tanzenden Weiber lernen bei Homöopatha das Heilen.« sagte Ojun. »Oder sie versuchen es zu lernen. Manche heilen dabei auch nur sich selbst«, fügte er dann noch schmunzelnd hinzu. »Sie lernen dabei, auch den zweiten Bereich zu heilen.« Er zwinkerte mir zu. »Sie müssen es lernen. Es gehört zur Ausbildung. Wir Schamanen helfen ihnen bei den Übungen. Du, als mein Gast, bist auch dazu eingeladen. Diese Übungen mit uns sind eine Ehre für die Weiber. Sie üben auch mit den Jungjägern, aber das ist eine Ehre für die jungen Jäger. Sie müssen dafür einen großen Teil ihrer Beute den Weibern überlassen.«
Ich wusste wohl, was es hieß, den zweiten Bereich zu heilen. Ich freute mich darauf. Es war schon eine Weile her, dass mein zweiter Bereich mithilfe eines hübschen Weibes entspannende Heilung erfahren hatte.
Inzwischen waren wir vor der Höhle angelangt und traten ein. Wir standen in einem kleinen runden Raum. Auf dem Boden brannte ein Feuer. An der Rückseite war ein Durchgang mit einem Fell verhängt.
»Setz dich«, sagte Ojun. »Ich gehe uns anmelden.«
Ich warf mein Gepäck ab und sank erlöst auf ein Fellkissen nieder. Ojun verschwand hinter dem Vorhang.
Ich starrte ins Feuer. Das Bild des schmalen blonden Weibes tauchte in mir auf. Ich sah dich vor mir, Yrsig, deren Namen ich noch nicht kannte, und erlag deinem Zauber. Meine Seele sprach zu mir. Sie sagte: »Sie ist es. Hole sie dir und halte sie. In Ihr lebt das Stück von dir, deiner Seele, welches einst verloren ging. Das war lange vor deiner Geburt, als die Seelen der Menschen zerrissen wurden und in verschiedene Körper gepflanzt. Damit sie sich suchen müssen. Dies geschah durch die Weiber, die vom Stern hinter den Sternen kamen und sich mit den Affen der Wälder paarten.« So sprach meine Seele, während mein müder Körper in der Wärme des Feuers eingeschlafen war.
Ein Rütteln an der Schulter weckte mich. Ojun war zurück.
»Du hast geträumt«, sagte er. »Du hast etwas von Weibern vom Stern hinter den Sternen gebrabbelt. Es wird Zeit, dass wir uns entspannen.«
Wir traten hinter den Vorhang und standen in einem weiteren Raum, der auch wieder durch einen Vorhang abgeschlossen wurde. An den Wänden entlang lagen Bündel von Fellgewändern.
»Zieh dich aus«; forderte Ojun.
Wir legten unsere Kleider ab. Durch den nächsten Vorhang drang ein gedämpftes Rauschen. Als wir hindurchtraten, erkannte ich die Ursache. Hinter einem kleinen Feuerchen, das seinen roten Schein darauf warf, viel ein breiter Wasserfall herab. Ein kalter Luftzug wehte
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