Der Wachsmann
drauf!« forderte Peter streng und klärte die mürrisch blickende Bauersfrau auf: »Das kleine Hohlmaß ist nur aufgehäuft angemessen oder wißt Ihr etwa nicht, daß in unserer Stadt beim Obst das Aufmaß gilt?«
Während Walburga mit hochnäsiger Miene bezahlte und die Bauersfrau Peter verwünschte, schob dieser das noble Fräulein aus dem Kreis der Gaffer hinaus. Er strahlte sie an, als hätte er soeben wie Herkules die Äpfel der Hesperiden für sie errungen, fand aber keine Worte.
»Habt Dank für Euer mutiges Eintreten!« begann sie.
»Oh, das war doch nichts Besonderes«, wiegelte Peter errötend ab.
»Doch, doch, Ihr habt uns sehr geholfen.«
»Gern würd’ ich Euch noch mehr…« erkühnte sich Peter, wurde aber vom Eintreffen der Magd unterbrochen, die sich sogleich aufdringlich daneben stellte.
»Ja, also, ich muß dann gehen«, beschloß die Ratstochter, die nun ebenfalls etwas verlegen schien. »Habt nochmals Dank!« Sie deutete artig einen Knicks an, stupste die kichernde Walburga in die Seite und entschwand quer über den Platz in Richtung Rosengasse. Als sie sich beim Hamel noch einmal umwandte, stand Peter noch immer verzückt am selben Fleck.
Ich Narr hätt’ ihr die Äpfel tragen können, schalt sich der gehemmte Galan. Dann löste er sich mit einem tiefen Seufzer von der Stelle, wo er Wurzeln zu schlagen drohte und begab sich zur Lände.
Als er auf seinem Weg dorthin in weitem Abstand am Maenhartbräu vorbeischlich, plagten ihn auf einmal Gewissensbisse der Agnes gegenüber, als hätt’ ihn eine Horde Dämonen angesprungen. Doch ungeachtet seines schweren Ringens blieb sein Blick verklärt, bis ihn Paul mit der Frage empfing: »Hast du ins Paradies geschaut oder dich nach dem Besuch beim Richter erst mal besoffen?«
»Ich… ich hab’ die blonde Schönheit getroffen. Die Tochter vom Pütrich«, stammelte Peter wie trunken vor Glück.
»Pest und Hölle!« zischte Paul. »Dich hat’s ja übel erwischt. Aber wieso Tochter?«
»Was?«
»Wieso sagt du: Die Tochter vom Pütrich?«
»Etwa nicht? Was ist daran falsch?«
»Weißt du’s nicht oder stellst du dich jetzt nur dumm?« fragte Paul grinsend.
»Nein. Wieso?«
Mit einem Mal platzte Paul vor Lachen und schlug sich auf die Schenkel.
»Das ist… haha… ich glaub’s nicht… hihihi… der beste Witz seit langem…«
Peter schüttelte ihn wütend: »Hör auf, du Narr!«
»Sie… hihihi… die blonde Maid ist das Weib vom alten Pütrich… Diese Perle ist nicht mehr feil!«
Glücklicherweise traf im selben Augenblick ein freudestrahlender und laut brüllender Leonhart bei der Lände ein, der die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Flößer und Ländgehilfen empfingen ihn mit großem Jubel. Peter, der zuerst dem Freund fast an die Kehle ging, sank tief enttäuscht auf einen Baumstamm nieder und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
Doch ehe er im Schmerz zerfließen konnte, überspülte ihn die Woge der Begeisterung. Leonhart hatte seinen Retter – wie er glaubte – ausgemacht und erdrückte ihn fast vor Dankbarkeit an seiner stämmigen Brust, während die Umstehenden die beiden Pfleger ein ums andere Mal hochleben ließen.
Für den Abend war ein Festmahl anberaumt, das selbst der Befreiung eines Richard Löwenherz würdig gewesen wäre. Die Mägde, der Wast und die Agnes trugen auf Kosten der Zunftkasse auf, was Küche und Keller hergaben: Nur einmal mahnte die Agnes mit gespieltem Ernst, daß das Sommerbier zur Neige ginge, noch ehe der Sommer richtig begonnen habe. Und gebraut werde erst wieder nach Michaeli. Doch die vermeintliche Hiobsbotschaft vermochte die wackere Runde der Zecher ebensowenig zu erschüttern wie Caspar Nickels angeblich bestgehütetes Geheimnis: Er wisse jetzt aus sicherer Quelle, daß es zum Krieg komme. Augenblicklich wurden die Maulhelden zu Kriegshelden und hatten den Feind schon zurückgeschlagen, noch ehe er im Land stand.
Als Caspar sah, daß seine Offenbarungen den Flößern heute kaum einen Krug Bier wert waren, ließ er sich lauernd an einem leeren Tisch nieder und wartete auf seine Chance.
Als hätten sie ein besonderes Organ für Feiern und Freibier, trudelten kurz hintereinander der griesgrämige Schuster und der eifernde Gottschalk wieder ein, der sogleich losdonnerte: »Wißt ihr nicht, daß ihr schon von Teufeln und Dämonen umringt seid?«
»O ja«, bestätigte der Geister-Mathes, »da hat er recht. Ich hab’ neulich gehört, daß ein müder Dämon auf einem Salatkopf
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