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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Großtaten.
    Vergessen waren Teufel und Zauberei, Mord und Bedrückung. Es galt nur mehr, nach vorne zu blicken. Von außen nahte der Feind. Die Nebel und dumpfen Schleier, die tagelang die Stadt eingehüllt hatten, hoben sich. Die düstere Stimmung verflog mit einem Mal und wich einer eigentümlichen Leichtigkeit. Es war wie eine Befreiung, und dabei bedeutete es doch Krieg.
    Merkwürdig, dachte sich Peter, mir ist als riefen sie: Halleluja, es ist nicht die Pest! Diesmal ist’s nur der Tod!

20. Kapitel
     
    Anderntags schlug Paul vor, sie könnten doch den in Fragen der Dämonologie kundigen Mönch aufsuchen.
    Peter klang es noch gut in den Ohren, wie Bruder Guntram über den Minoriten Lullus geschimpft und Prior Konrad sich eher skeptisch über die Eigenarten der Minderbrüder geäußert hatte. So beschlichen ihn einerseits gemischte Gefühle, andererseits war er neugierig auf den merkwürdigen Bruder von Pauls nächtlicher Begegnung. War es Zufall oder höhere Fügung, daß ihnen auf dem Weg zum Konvent der Minderbrüder just in Höhe der Judengasse Gottschalk entgegenkam? Es war noch früh am Tag, und wahrscheinlich hatte er eben erst den Seelnonnen im Pütrichschen Regelhaus die Messe gelesen. Aber entweder hatte er dabei überreich dem Meßwein zugesprochen, oder der Herr schlug ihn tatsächlich zunehmend mit Wahnsinn. Jedenfalls gestikulierte er schon wieder heftig und wetterte entrückt gegen alles und jeden.
    Plötzlich schien Gottschalk die beiden erkannt zu haben, und da er sein unfreiwilliges Bad noch nicht vergessen hatte, schüttelte er die Faust wider den unschuldig blickenden Paul und fuhr drohend fort: »Ja, der Frevler rühmt sich noch seiner wilden Gier, und der Ungerechte brüstet sich. Doch ich warne euch, die ihr dem Laster frönt: Heut’ ist der Tag, an dem der Allmächtige Sodom und Gomorrha vernichtet hat. Feuer und Schwefel ließ er vom Himmel fallen, und nicht einer entkam dem Strafgericht!«
    »Jetzt faselt er schon am frühen Morgen und hellichten Tag«, knurrte Paul. »Es wird immer schlimmer mit dem Kerl.«
    Peter bemerkte kopfschüttelnd: »Er dauert mich. Wenn er so weitermacht, dann wird er noch im Spital enden, wo sie ihn anketten und schlagen werden, anstatt ihm die Würde des Propheten zuzuerkennen.«
    Nachdem sie durchs Vordere Schwabinger Tor getreten waren, ragte kurz darauf zur Rechten das steile Dach der Franziskanerkirche auf. Sie schritten über den Kirchhof zur Klosterpforte neben dem Gotteshaus.
    Wenig später standen sie Bruder Servatius gegenüber. Er schien altersmäßig zwischen Peter und Paul zu liegen, war mittelgroß und von eher schlanker Gestalt und hatte selbst nichts Diabolisches an sich, außer vielleicht zwei widerspenstige Haarbüschel, die Hörnern gleich aus dem dunkelbraunen Kranz um die Tonsur hervorstachen. Bruder Servatius wirkte ein wenig mißmutig, als habe man ihn völlig überflüssig aus der Lobpreisung des Herrn oder einer anderen verdienstvollen Tätigkeit gerissen.
    »Was wünschen die Herren?« fragte er auch etwas barsch gleich nach dem Gelobt-sei-Jesus-Christus.
    »In Ewigkeit Amen «, vollendete Peter erst noch den Gruß, ehe Paul lossprudelte, daß er den Bruder als Kundigen für Geister und Dämonen erachte und ob er sich denn seiner nicht mehr erinnere.
    »Sollte ich?« fragte der so Gepriesene eher abweisend. »Ich wüßte nicht…« Da erhellte urplötzlich ein Strahl der Erkenntnis seine Gesichtszüge.
    »Natürlich! Mir dämmert’s. Ihr seid der fröhliche Zecher, der mir nächtens erst Prügel angedroht, mich anschließend zu einem Trunk aufgefordert und nach meiner dankenden Ablehnung beschimpft hat. Was bietet Ihr mir denn heute?«
    Da Paul ein wenig verlegen wirkte, begann Peter das Gespräch: »Wir müssen Euch in einer ernsten Angelegenheit sprechen, verehrter Bruder.«
    »Laßt uns in den Apothekergarten gehen«, schlug Bruder Servatius vor.
    Im Schatten des luftigen Gartens, der üppig grünte, als versuche er, die strenge Ordnung zu überwachsen, schilderte Peter die schrecklichen Todesfälle, die Gerüchte über Teufelswerk sowie die angebliche Hinterlist der Juden.
    Dann warf er noch rasch als Frage hin: »Wißt Ihr etwas über Zauberei und Aberglauben, über Flüche in Psalmen, Beschwörung von Dämonen und Teufelswerk zu sagen?«
    »Mehr wünscht Ihr nicht?« spottete der Franziskaner gutmütig. »Habt Ihr ein Meer an Zeit oder wollt Ihr gar in unseren geschätzten Orden eintreten?«
    Sowohl Peter als auch Paul

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