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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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mit leuchtenden Augen und freundlich lächelnd, nur wenige Jahre älter als er selbst. Schräg gegenüber blickte er ins Antlitz des älteren Ludwig, im besten Mannesalter und dabei eigentlich auch schon betagt. Sein Gesicht drückte nicht mehr die ungebärdige Neugier aufs Leben aus, wiewohl es noch offen und umgänglich erschien. Seine Miene zeigte Gleichmut und verhaltenes Interesse an. Dazwischen saß der Alte mit finsterem Blick und harten, verbitterten Gesichtszügen, jeder Zoll geballte Mißbilligung.
    Drei Generationen vereinten sich zu dem Bild vor Peters Augen, und doch erschien es ihm wie ein einziger, unaufhaltsamer Zug in die Vergänglichkeit. Plötzlich sah er auch den Verfall des geliebten Oheims wieder vor sich. Und da saß ihm nun dieser Greis gegenüber, unbeugsam und mächtig, bestimmend über das Schicksal anderer und womöglich schuld am grausamen Tod einiger von ihnen. Was hielt ihn am Leben, was trieb ihn um? War es der natürliche Lauf der Dinge, daß mit dem Welken des Körpers auch im Herzen Verdrießlichkeit und Kleinmut die Oberhand gewannen, oder bestimmte die Zahl an Bitternis und Schlägen in diesem jämmerlichen, irdischen Dasein den Verlauf des Alterns?
    Peter empfand Furcht bei dem Gedanken. Was mochte das Leben noch alles an Schrecken für ihn bereithalten? Er blickte unwillkürlich wieder auf den jüngsten Pütrich und lächelte ihm zu. Der Jugend gehörte diese Welt, nicht welken Greisen mit ihrem Mißmut. Jugend sollte die Welt regieren und sie zum Besseren wenden. Auch König Ludwig war noch jung, mit siebenunddreißig Jahren nicht einmal doppelt so alt wie Peter, und plötzlich verspürte der wieder die Sorge um ihn, und sämtliche Andeutungen und Befürchtungen der letzten Wochen brachen sich Bahn… Zum Glück eröffnete nun der Richter das Gespräch:
    »Ich bin gekommen, um Eure Mithilfe zu erbitten in einer Angelegenheit, die ich gerne zum Abschluß brächte.«
    Der Alte schaute etwas erstaunt, ließ aber sogleich seinem Unmut freien Lauf. »Wenn Ihr damit die Belästigungen durch gewisse Kerle meint, warum schleppt Ihr mir dann diesen da« – er deutete auf Peter – »noch einmal ins Haus?«
    »Oh, es geht um Vorfälle besonderer Art«, erklärte der Richter, »und Herr Barth ist sowohl davon betroffen als auch mit der Aufklärung durch mich betraut. Dies erfordert zwingend seine Anwesenheit.«
    Nun schaute Peter zwar ziemlich erstaunt, hütete sich aber, den Richter, der ungerührt weitersprach, auch nur im geringsten zu unterbrechen.
    »Es sind eine Reihe unangenehmer Dinge in letzter Zeit geschehen. Dabei geht es mir nicht so sehr um den Tod der beiden Flößer, und wir sind vermutlich derselben Ansicht, daß ihnen nur widerfuhr, was sie verdienten. Aber ich kann es auf keinen Fall zulassen, daß Amtleute dieser Stadt überfallen oder gar ermordet werden und der Täter ungeschoren davonkommt. Da stimmt Ihr mir doch sicherlich zu.«
    »Ja, ja… « antwortete der Alte zögerlich. Er schien etwas verwirrt und Peter, der bei der Bemerkung über die Flößer schon innerlich aufgebraust war, mußte zugeben, daß der Richter sehr geschickt vorging.
    »Ich denke, der Mörder ist tot«, fügte Heinrich Pütrich hinzu und fragte nochmals mürrisch: »Was hat das mit dem da zu tun oder mit uns?«
    »Herr Barth ist selber Amtmann und wurde vor einiger Zeit ebenfalls überfallen«, erklärte Konrad Diener ruhig. »Und was den Küchlmair Leonhart betrifft, so Ihr den meint, der ist nicht der Mörder.«
    »Ah! Wer dann?«
    »Da hatte ich eben auf Eure Hilfe gehofft«, erklärte der Richter mit einem entwaffnenden Lächeln.
    »Ich wüßte nicht, wie…«
    »Oh! Nur keine falsche Bescheidenheit, Herr Pütrich! Ihr wart doch mit dem Peitinger gut vertraut und könntet uns daher etwas über seine Eigenarten und Gewohnheiten mitteilen. Jeder kleinste Hinweis würde helfen.«
    »Ich hatte mit diesem Menschen nichts zu schaffen«, entgegnete der Alte schroff.
    »Jetzt verblüfft Ihr mich aber, Herr Rat. Konrad Peitinger ging in diesem Hause ein und aus, Ihr wurdet mit ihm gesehen, und Euer Bruder hatte an der Weinlände regelmäßig mit ihm zu tun.«
    »Das war rein geschäftlich«, ließ sich der Bruder vernehmen. »Konrad Peitinger war ansonsten nicht – wie soll ich sagen –, er war keiner, mit dem man gerne den Umgang pflegt.«
    »Ihr meint von Standes wegen?«
    »Sowohl dies als auch von seiner ganzen Art.«
    »Aber genützt hat er Euch doch?« fragte der Richter mit argloser

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