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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Waffenstillstands entrollt und ihren fetttriefenden Mündern entwich gar das eine oder andere freundliche Wort. Es entspann sich eine Art Gespräch, wobei jedes heikle Thema ausgeklammert und harmlose Belanglosigkeit zur Maxime erhoben wurde. Immerhin.
    Während des abschließenden Mandelmuses mit Zimtschnitten und dem krönenden Becher Malvasier, schlug Michael zu Peters Erstaunen und Barbaras Freude gar vor, die jährliche Rente des jüngeren Bruders etwas anzuheben, da er sicher mehr auf seine Kleidung achten müsse, wo er doch jetzt auch in anderen Kreisen verkehre.
    Peter dankte verhalten für das Angebot, stimmte aber nicht gleich freudig zu. Er hätte das Geld gut brauchen können, doch irgendwie erschien es ihm, als ließe er sich dadurch kaufen. Er wollte sich seine Freiheit bewahren und schließlich: War es nicht einfach nur ein weiteres Almosen, wo es letztlich um sein Recht ging? Er mußte die Angelegenheit offenhalten und darüber nachdenken.
    So dankte er für das Mahl und wandte sich zum Gehen. Von der Türe aus rief er seinem Bruder noch zu: »Und grüß mir den Heinrich, deinen Stammhalter. Ein aufgewecktes Bürschchen für seine acht Lenze.«
    »Neun«, korrigierte Michael. »Vor wenigen Wochen erst jährte sich zum neunten Mal der Tag seiner Geburt.«
    »Hm«, grübelte Peter, wobei ihm allerdings der Schalk in den Augen saß. »Da hat mir doch mein Oheim wieder so einen Bären aufgebunden. Nun, er wird eben doch schon alt und vergeßlich.«
    »Wieso?« fragte Michael arglos. »Was meinst du?«
    »Oh, er faselte etwas davon, daß ihr euch im Spätsommer des Jahres 1310 vor dem Herrn die Ehe versprochen hättet, und da dachte ich eben… aber das kann ja so nicht sein.«
    Peter grinste über das ganze Gesicht, während Barbara Barth vor Scham errötete. Und nun begriff auch der Bruder: »Du, du…«
    Seine Lippen formten tonlos das Wort, das Peter nun freimütig aussprach: »Bastard! Ich weiß schon. Und nichts für ungut!«
    Er drehte sich um und lief, aus vollem Halse lachend, die Treppe hinunter. Frau Barbara folgte ihm, um ihn hinauszubegleiten. Als sie verschämt zu einer Erklärung anheben wollte, unterbrach sie Peter: »Nein, bitte! Ihr müßt nichts erklären, vielmehr meine Dreistigkeit entschuldigen. Aber diese kleine Lehre wollte ich ihm nicht ersparen. Und nochmals Dank für Euer reichliches Mahl. Ich habe selten köstlicher gespeist!«
    Er ergriff ihre Hand, hauchte galant einen Kuß darauf und huschte in die Dämmerung hinaus, noch ehe sie etwas erwidern konnte.
    So rief sie ihm nur leise hinterher: »Kommt wieder, recht bald!«
    Peter fühlte sich sehr beschwingt, was sicher dem reichlichen Weingenuß zuzuschreiben war. Aber da war noch etwas anderes: Er empfand sich eigentümlich leicht und bewegte sich fast hüpfend die Kaufingergasse entlang. Etwas schien plötzlich von ihm abgefallen zu sein, was seit Jahren auf ihm gelastet hatte wie vier Mutt Kalk und ein gewaltiger Mühlstein. Er hatte es tatsächlich ausgesprochen, selber damit gescherzt, als er vorhin bei seiner kleinen Rache ganz unbefangen den Bastard in den Raum geworfen hatte.
    Er wiederholte es, erst ganz vorsichtig und leise: »Bastard. Ich bin ein Bastard.«
    Dann lauter und wieder und wieder: »Hurra, ich bin ein Bastard!«
    Er umtänzelte ein altes Weiblein, das heimwärts strebte: »Mütterchen, fürchtet Euch nicht, aber ich bin ein Bastard.« Er hielt Handwerksburschen an, eröffnete spielerisch den Faustkampf und rief: »He, ihr da, ich bin ein Bastard. Nehmt euch in acht!«
    Er drehte sich, warf die Arme in die Luft und schrie es in den Abendhimmel hinauf: »Ich bin ein B-a-s-t-a-r-d!«
    Und dann heulte er; heulte vor Schmerz und Glück, vor Wehmut und Erleichterung.
    Die Heimkehrenden machten einen Bogen um ihn, tippten sich an die Stirn, hielten ihn für verrückt oder sturzbetrunken. Peter nahm es kaum wahr.
    Allmählich ging der Ausbruch in stille Glückseligkeit über. Peter schlenderte leichtfüßig und vergnügt vor sich hinlächelnd über den Marktplatz. Er gedachte seiner Eltern und seiner unehelichen Geburt, seiner Jugend und seiner unglücklichen Aufnahme in die Familie. Er erinnerte sich der Fahrt nach Wolfratshausen und seiner Zweifel und Verzagtheit. Seine Bedenken und Ausflüchte fielen ihm ein, sein ständiger Hader mit sich selbst. Aber all dies schien weit weg zu sein, berührte ihn kaum mehr. Dafür verspürte er eine seltsame Kraft in sich, die sich ausbreitete, ihn erfüllte.
    Er hatte den

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