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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Bastard für sich angenommen, bekämpfte ihn nicht länger. Er hatte endlich sich damit angenommen und innere Stärke und Selbstsicherheit gewonnen.
    Was kümmerten ihn fortan blasiertes Gehabe und törichte Überheblichkeit der Vornehmen. Seht sie Euch doch an, wie erbärmlich sie hinter ihren prächtigen Fassaden aussehen, wie gemein es hinter den protzigen Mauern ihrer Paläste zugeht. Er mußte unbeirrt seinen Weg gehen, seinen eigenen Wert für sich bestimmen. Und dann konnte man auch für etwas einstehen, eine Sache ausfechten und zu Ende bringen, ohne ständigen Selbstzweifeln zu unterliegen.
    Er war Peter Bastard und Peter Barth. Und man brauchte ihn. Der Richter bezog ihn schon in seine Überlegungen mit ein und neuerdings selbst sein Bruder – jawohl, auch sein Bruder brauchte ihn. Peter war für ihn nicht mehr länger nur Bittsteller und Almosenempfänger, den man von oben herab behandeln und herumkommandieren durfte. Er hatte an Bedeutung gewonnen. Er war wichtig. Zumindest fühlte er sich so, und dies war für Peter die Krönung dieses Tages.
    Agnes bemerkte eine seltsame Veränderung an ihm, ohne sagen zu können, was es eigentlich war. Es erschien ihr lächerlich unwirklich, aber er kam ihr älter vor. Sie empfand es nicht als ungut, eher angemessen. Sie schmiegte sich ganz eng in seinen Arm und fühlte dort sichere Geborgenheit, etwas, wonach sie seit Maenharts Tod so lange gesucht hatte. Es mußte mit seinem Besuch zusammenhängen, und sie fragte ihn vorsichtig, ob er denn Erfolg gehabt und sie sich ausgesöhnt hätten.
    »Nicht wirklich«, antwortete Peter wahrheitsgemäß. »Zu vieles steht noch zwischen uns. Aber es ist ein Anfang. Ja, ein guter Anfang.«

27. Kapitel
     
    Anderntags fanden sich die Flößer sowie Peter und Paul frühmorgens in St. Peter ein. Es war der dreißigste Tag nach dem Tod ihres Zunftbruders Leonhart, an dem nach altem Brauch die letzte Messe für das Seelengedächtnis des Verstorbenen stattfand. Die nächste öffentliche Feier erfolgte erst wieder übers Jahr.
    Nach der Messe versammelten sich die Trauernden auf dem Kirchhof. Zwischenzeitlich hatte der Zunftsprecher, Meister Hanns, bei den Kistlern ein solides Holzkreuz in Auftrag gegeben, das nun über dem Grab errichtet wurde. An der Stelle, an der sich die Balken schnitten, stand auf einer rechteckigen Tafel in schwarzen Lettern folgender Spruch:
      Leonhart Küchlmair ruht allhier,war sanft wie ein Lamm, stark wie ein Stier.Von feiger Hand ward er geblendet,durch Stich ins Herz ist er verendet.Gott strafe den, der ihn gemeucheltund Biederkeit und Frommsein heuchelt.   Die Tage zuvor war heftig darüber gestritten worden, ob der Vorschlag des Mathes so angenommen werden dürfe, oder ob die beiden letzten Zeilen nicht doch dem Frieden des Kirchhofs widersprächen. Aber die Mehrheit wollte nicht stillschweigend vergeben und sich damit abfinden, daß der Mörder ungestraft bliebe. Und schließlich hatte man ja die Strafe in die Hand des Herrn gelegt. Wer aber die Zeilen recht zu lesen verstand, wußte freilich auch, daß Biederkeit und Frommsein als immerwährender Vorwurf an den Schuster und den alten Pütrich gerichtet waren, die die Mehrzahl der Floßleut’ unverbrüchlich für schuldig hielt.
    Gut vierzehn Tage waren nun vergangen, seit das Heer ins Feld gezogen war, und Frieden lag über der Stadt: langweiliger, sich hinziehender, entsetzlich träger und schier unerträglicher Frieden. So jedenfalls empfand es ein Großteil der Burschen, die aus diesem oder jenem Grunde zu Hause bleiben mußten, die sich nicht mit den Österreichern schlagen und sich nicht durch ruhmreiche Taten hervortun durften. Wenigstens stand Sankt Egidien vor der Tür, und dieser Tag versprach mit etwas Glück eine gepflegte Rauferei.
    Seit vielen Jahren – manche behaupteten gar seit den Tagen der Ungarnschlacht in grauer Vorzeit – wurde am 1. September, dem Namensfest des heiligen Egidius auf dem Hof des Klosters Schäftlarn zu Keferlohe ein großer Jahrmarkt abgehalten. Es war in der Hauptsache ein Viehmarkt, auf den Hunderte, ja Tausende von Pferden, Rindern, Schweinen und Ziegen getrieben wurden, und auf dem sich nicht zuletzt die Münchner Fleischhauer mit Schlachtvieh eindeckten.
    Nun war aber der Samstag in Erinnerung der Grabesruhe Jesu dem Fasten vorbehalten, und so wurde der Sankt-Egidien-Markt in diesem Jahr auf den nachfolgenden Montag verschoben, was die Geduld der aufgeregten Burschen auf eine harte Probe stellte.
    Am

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