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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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manchmal führt Dreistigkeit zum Erfolg. Wir könnten ihn doch zumindest bedrängen, so wie den alten Pütrich. Vielleicht wird er unsicher und begeht einen Fehler. Es ist unsere einzige Chance.«
    Nach einigem Zögern stimmte der Richter zu, und sie begaben sich schnurstracks zum Eckhaus in der Rosengasse.
    Heinrich Rabenecker schien nicht einmal verwundert zu sein über den unerwarteten Besuch und bat die Herren herein.
    »Was verschafft mir die Ehre? Wollt Ihr mich heute mit Hilfe des Richters über die leidige Mühle ausquetschen?« fragte er Peter spöttisch. »Ich habe Euch dazu alles gesagt, und Ihr werdet sie auch diesmal nicht bekommen.«
    »Es geht um mehr«, erwiderte ihm Konrad Diener und fragte unvermittelt: »Wo wart Ihr am Abend des 1. August?«
    »Was weiß ich? Es ist einen Monat her, und Ihr kommt erst jetzt damit. Wollt Ihr auch noch wissen, wie ich übers Jahr die Abende verbringe?« fragte er patzig.
    »Mir reicht der eine, und es war der Abend, an dem jemand den Flößer Küchlmair auf scheußliche Art ins Jenseits schickte, wenn Eurem Gedächtnis dies weiterhilft.«
    »Ah, der interessante Mordfall«, höhnte der Kaufmann. »Was habe ich damit zu schaffen? Ich kannte den Kerl nicht einmal, obwohl er ein stadtbekannter Raufbold gewesen sein soll. Aber bitte: Wo werd’ ich wohl gewesen sein? Ja, richtig, zu Hause.«
    »Habt Ihr in letzter Zeit einen Knecht entlassen oder sonstwie verloren?«
    »Nein, meines Wissens nicht. Aber es ist nicht ungewöhnlich, daß jemand für Transportdienste ein paar Tage in meinen Diensten steht, dann ausbezahlt wird und seiner Wege geht. Ich kann im übrigen nicht über alles wachen und jeden kennen, und auch meine Vorarbeiter stellen gelegentlich Leute ein. Geht’s wieder um den Bresthaften oder Krüppel, oder was war der Kerl gleich noch…?«
    »Pockennarbig«, erklärte Peter.
    »Richtig. Solche Leute kann ich in meinem Geschäft ohnehin nicht brauchen.«
    »Es dreht sich nicht um ihn.« Peter beschrieb so genau wie möglich den Dicken, der ihm entwischt war.
    »Nie gesehen«, verneinte Rabenecker selbstsicher und seelenruhig. »Wißt Ihr seinen Namen?«
    Der Richter schnaubte nur kurz, und Peter deutete widerwillig und kopfschüttelnd ein Nein an. Ihm war so, als huschte eben ein Lächeln über die undurchdringliche Miene des Kaufmanns.
    »Kann ich Euch sonst noch behilflich sein?« fragte Rabenecker herausfordernd.
    »Danke«, knurrte der Richter, »das war schon alles.«
    An der Türe drehte sich Peter unvermittelt um. »Ach, fast hätte ich es vergessen. Ich soll Euch dies hier geben.« Er hielt dem Kaufmann das Pergament mit der unvollständigen Botschaft entgegen. »Es gehört Euch.«
    »Wer sagt das?« Heinrich Rabenecker warf nur einen flüchtigen Blick auf das Schriftstück und streckte nicht einmal die Hand danach aus.
    »Euer Knecht, der Dicke, der…«
    »…der, dessen Namen Ihr nicht einmal kennt? Macht Euch doch nicht lächerlich, Peter Barth. Nehmt Euren kindischen Vers mit Euch und gehabt Euch wohl. Ich hab’ für Eure Spiele keine Zeit.«
    Heinrich Rabeneckers Mund verzog sich zu einem überlegenen Grinsen, das Peter irgendwie auch boshaft erschien.
    Während sie so unter der schon geöffneten Stubentür standen, wollte im Hausflur gerade der Schuster vorbei und nach oben huschen.
    »Ah, Meister Füss!« rief Konrad Diener. »Das trifft sich gut. Bleibt auf ein kurzes Wort.«
    Der Schuster trat wortlos näher und schaute dabei so mißgünstig und argwöhnisch drein, als verdiente er sein Brot damit.
    »Wo wart Ihr doch gleich wieder am Abend des 1. August? Ihr wißt schon, die Mordnacht.«
    »Aber das habe ich Euch doch gesagt.« Seine Augen flackerten unruhig und blickten ängstlich zwischen Peter und dem Richter hin und her. »Ihr, Ihr habt mir versichert…«
    »Schon gut, beruhigt Euch!« gebot der Richter. »Ich habe neuerdings nur berechtigte Zweifel daran. Seid Ihr Euch auch sicher?«
    Der Schuster nickte hastig.
    »Ganz sicher?«
    »Ja, ja!« Heinrich Füss schrie jetzt förmlich. »Was wollt Ihr noch von mir? Ich kann’s beschwören. Fragt doch…« Er hielt sich entsetzt die Hand vor den Mund, so als habe er schon zuviel gesagt.
    »Ihr könnt Euch darauf verlassen«, beschied ihn der Richter lächelnd.
    Währenddessen waren im Obergeschoß Stimmen und tapsende Geräusche laut geworden. Der blondgelockte Wicht hopste krähend durch den Flur und mühte sich nun, die steile Stiege herabzurutschen, während die Amme hinterherlief und

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