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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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vergeblich befahl: »Bleib hier, Ludwig! Komm sofort zurück!«
    Das Knäblein hatte flugs schon den Anfang der Treppe erreicht und lief nun zu Peters Erstaunen nicht etwa zu seinem Vater hin, sondern tippelte munter an ihm vorbei und durch die noch offenstehende Türe auf Heinrich Rabenecker zu und zerrte fröhlich an dessen Beinen.
    »Könnt Ihr nicht aufpassen?« wies der Schuster unwirsch die Amme zurecht, schien ansonsten aber wenig am Verhalten seines Söhnchens interessiert.
    »Ein hübsches Kind«, ließ Peter ihm als Kompliment zukommen. »Ist’s nach der Mutter geraten?«
    »Wie meint Ihr das?« fragte der Schuster lauernd und witterte nach seinen Erfahrungen im Maenhartbräu schon wieder eine beleidigende Hinterhältigkeit gegen sich.
    »Ich meinte nur, ob die blonden Locken von Eurer Ehefrau stammen, die zu kennen ich nicht mehr das Glück hatte.«
    »Ihr Haar war schwarz«, entgegnete Füss kühl und scheinbar ohne Regung. »Kann ich jetzt gehen?«
    »Gewiß doch«, antwortete der Richter mit einer entlassenden Handbewegung und fügte weit weniger leutselig hinzu: »Wir werden uns wiedersehen.«
    Auf dem Weg zu seiner Behausung schimpfte Konrad Diener vor sich hin: »Wie ich’s mir dachte. Wir stehen da wie die Trottel, und die Kerle lachen sich ins Fäustchen. Wasser mit dem Sieb zu schöpfen könnte nicht erfolgloser sein.«
    »Das will ich nicht sagen«, widersprach Peter vorsichtig. »Daß er leugnen wird, haben wir von vornherein gewußt. Aber er hat kaum einen Blick auf das Pergament geworfen, und obwohl es nicht einmal recht zu lesen ist, von einem kindischen Vers gesprochen. Das erscheint mir doch sonderbar. Ich denke, er weiß tatsächlich mehr darüber und sucht uns zu täuschen.«
    »Und ich sage Euch«, bekräftigte der Richter, »der Kerl hat nicht nur Ahnung davon, er ist der Hartgesottenste von allen. Vor ihm müssen wir uns in acht nehmen.«
    »Jedenfalls weiß er jetzt, daß wir von dem Zettel und einer möglichen Verschwörung wissen oder zumindest argwöhnisch sind. Er muß jetzt entweder seine Pläne aufgeben, was dem König zugute kommt, oder er muß sie ändern, was uns die Möglichkeit eröffnet, ihn zu beobachten und im rechten Augenblick zu überrumpeln.«
    »Das wäre mir nicht nur eine Kerze wert«, brummte der Richter. »Ich sollte mir also wohl einreden, daß unser Besuch erfolgreich war?«
    »Ich denke schon«, bestätigte ihn Peter zuversichtlich.
    Später sollte er sich noch manches Mal fragen, ob es nicht eine verdammte Torheit war, Heinrich Rabenecker just an diesem Tag aufzusuchen.
    War die Rauferei am Egidientag auch ein voller Erfolg und eine willkommene Abwechslung gewesen, so hatte sie doch den einzigen Nachteil gehabt, daß nicht jedermann aus der Stadt, der willens und begierig darauf war, auch wirklich daran teilnehmen konnte. Genaugenommen war es nur ein Bruchteil, und so brüsteten sich in der Hauptsache die Metzgergesellen mit ihren Großtaten zu Keferloh. Die Mehrzahl der städtischen Jugend mußte örtlicher Vergnügungen harren und fieberte daher aufgeregt dem Sonntag entgegen. Zur Pfarrkirche St. Peter war Kirchweih angesagt, und das ließ neben ordentlichem Gaumenschmaus auch auf allerlei Spiele, Tandaradei und Tanzvergnügungen hoffen. Trotz Kriegsvorbereitungen oder gerade wegen der ungewissen Zukunft wollte man diesen Tag festlich begehen.
    Frühmorgens hingen die Kirchendiener die Fahnen heraus und schmückten die Altäre des Gotteshauses mit Kerzen und Blumen. Mindestens ebenso sorgfältig putzten sich die Weibspersonen heraus und diejenigen, die noch nicht unter der Haube waren, flochten sich Bänder ins Haar. Viele der Burschen gönnten sich schon am Vortag in den Badestuben das Vergnügen, sich bis in die Ohren hinein zu schrubben oder wenigstens die Kleidung zu wechseln. So war alles wunderbar gerüstet, und Sankt Peter selbst steuerte herrlich mildes Herbstwetter bei.
    Nach der feierlichen Messe wurde auf schnell zusammengefügten Tischen und Bänken rund um das Gotteshaus, in den Gassen und bis hinüber zum Marktplatz ausgiebig getafelt, und jung und alt schwang nebenher vergnügt das Tanzbein.
    Kaum einer bemerkte den reitenden Boten, und es fiel auch nur wenigen auf, daß sich bald darauf der Rat versammelte, denn die feinen Herrn hatten sich abseits vom gemeinen Volk bewirten lassen.
    Erst als die Glocken von St. Peter zu solch ungewöhnlicher Stunde erklangen und nacheinander auch die bronzenen Riesen der übrigen Kirchtürme dumpfe Klage

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