Der Wachsmann
erhoben, da ahnte jedermann in der Münchner Bürgerschaft bis hin zum blinden Bettler, daß etwas Schreckliches geschehen war.
Feuer konnte es nicht sein, denn längst hätte man den Ruf zu den Löscheimern vernommen. Aber der Türmer schwieg, und nirgendwo war der Himmel gerötet und die Luft von Brandgeruch erfüllt.
Hatte etwa die Schlacht schon stattgefunden, und hatte Ludwig mit Unterstützung seiner Münchner Bürger gar schon gesiegt? Es war kein Freudengeheul zu hören, kein fröhlich heimkehrender Kämpfer im Siegestaumel zu sehen.
Als Fanfare und Trommel erklangen und der Ausrufer erst von den Rathausstufen herab und danach umherziehend in den Gassen seine traurige Botschaft verkündete, da wurden Ahnungen zur entsetzlichen Gewißheit.
»Habt ihr’s schon gehört?« trugen es diejenigen, die es zuerst aufschnappten, mit schreckensbleichen Gesichtern weiter. »Er ist tot.«
»Tot, sagst du?«
»Ja, mausetot, ganz plötzlich. Keiner weiß so recht wie.«
»Ich glaub’s nicht. Der Ludwig war doch…«
»Narr! Den Rudolf hat’s erwischt, der hat ins Gras gebissen.«
»Ach so. Na, um den tut’s mir nicht leid.«
»Er soll beim Mahl gesessen haben und plötzlich nach vorne in die Suppe gekippt sein. Wie vom Blitz getroffen.«
»Oder durch Gift gefällt. Wenn da nicht der Bruder dahintersteckt.«
»Unsinn! Der Rudolf war schwer leidend und gezeichnet, und hinter seinem Kissen hat schon dauernd der Klapprige mit der Sense gelauert.«
»Jedenfalls hat der Ludwig den Nutzen davon. Jetzt hat er doch endlich, was er die ganze Zeit über wollte. Wenn sich das nur nicht rächt.«
Peter schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein und hatte kaum zugehört:
»Der Rappe«, murmelte er vor sich hin, »das schwarze Pferd, mein Gott.« Und plötzlich fuhr er hoch und rief an jedermann gerichtet: »Wann? Wann ist Rudolf gestorben?«
»Es soll schon fast einen Monat her sein«, gab ihm einer vom Nebentisch Bescheid. »Ihr wißt ja, wie lange manche Nachricht braucht und einige behaupten gar, er sei bei den Angelsachsen verschieden. Wen wundert’s da.«
»Am zwölften soll es gewesen sein«, rief ein anderer herüber, »am Abend des 12. August, egal wo.«
Peter legte sein Gesicht in die aufgestützten Hände und seufzte tief.
»Was ist mit dir?« fragte Paul besorgt.
»Das… das Traumbild«, stammelte Peter, »es hat sich bewahrheitet. Es war genau die Nacht, in der ich von den scheußlichen Kreaturen träumte. Rudolf war es, der in Gestalt des schwarzen Hengstes in den Abgrund stürzte. Wenn nun auch der Pfeil des gräßlichen Zwergs sein Ziel nicht verfehlt – mir graut davor, Paul. Unheil steht uns bevor, schreckliches Unheil.«
Nachfolgend auf die Todesbotschaft erging an die Bürger Münchens der Befehl, die Lustbarkeiten unverzüglich einzustellen zugunsten öffentlicher Trauer. Die ward leichter verordnet als befolgt, denn viele waren schon gehörig betrunken und dachten gar nicht daran, sich plötzlich die herkömmliche Kirchweihfeier vergällen zu lassen, nur weil da vor mehreren Wochen dieser erfolglose Bruder des Königs, den böse Zungen schon immer den Lispler oder den Stammler genannt hatten, nun für immer den Mund geschlossen hatte.
Aber die Ratsdiener lösten im Verein mit den Richtersknechten unerbittlich und unter Strafandrohung die murrenden Gruppen von Feierwilligen und trotzigen Sitzenbleibern auf.
Während ein Teil der Bevölkerung – und nicht der kleinste und unbedeutendste – ehrlichen Angedenkens um den verstorbenen Herzog Rudolf trauerte, mußte anderen die Trauer regelrecht verordnet werden.
So endete ein Tag, der mit Freudengesängen und Dankgebeten begonnen hatte, mit ehrlicher und ebensoviel falscher Trauer, und aus dunklen Ritzen und Abgründen der Seelen kroch erneut bedrohlicher Haß hervor.
28. Kapitel
Gespannte Stimmung herrschte seit der Todesbotschaft, und Angst lag über der Stadt. Während an den Altären die Requien gesungen wurden, hielt sich auf den Märkten hartnäckig das Gerücht, daß Rudolfs Tod nicht natürlicher Art gewesen sei.
Peter hatte zuerst gehofft, daß nun den innerstädtischen Gegnern Ludwigs der Wind aus den Segeln genommen sei, denn jetzt, wo Rudolf nicht mehr zurückkehren und die Herrschaft übernehmen konnte, was machte da einen Widerstand noch sinnvoll. Er könnte nur bedeuten, den Österreichern den Weg nach München hinein zu öffnen, und danach durfte doch keines bayerischen Mannes Sinn stehen. Doch Peter mußte sich
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