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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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Zwietracht und blutige Auseinandersetzung, wie ein Rasender, der sich in seine letzte Schlacht wirft, um dort den Tod zu finden. Aber so sehr er die Flößer auch anging, ihnen persönliche Beleidigungen an den Kopf warf und König Ludwig einen windigen Emporkömmling und falschen Regenten schimpfte, keiner der Floßleute wurde handgreiflich. Ja, selbst als der Schuster den einen oder anderen derb am Kittel riß und schmerzhafte Stöße verteilte, wurde er nur zurückgedrängt.
    Es war, als hätten sich die Flößer zum Stillhalten verschworen, und in der Tat reizte diese offensichtliche Mißachtung den Schuster erst recht bis zur Weißglut. Aber ihr Verhalten war nicht Böswilligkeit, sondern Folge von Ulrich Hiltpurgers ernster Ermahnung. Er hatte den Streit schon kommen sehen und seinen Schützlingen bei Strafandrohung bis zum Ausschluß aus der Zunft untersagt, darauf einzugehen. Und er hatte ihnen nochmals das Beispiel Leonharts vor Augen geführt und davor gewarnt, daß der Richter keinerlei Milde mehr walten lasse, wenn dem Schuster seitens der Flößer Unheil widerfahre.
    So stieß Heinrich Füss zuletzt nur noch wilde Drohungen aus von der Art, daß ohnehin bald die Österreicher kämen, und dann würden sie das Maul nicht mehr so weit aufreißen, und die Tage des stolzen Ludwig seien sowieso gezählt, wie einstmals die Herrschaft des Frevlers Belsazar zu Babel.
    An einem Tisch neben der Feuerstelle saß Ludwig Pütrich und verzehrte sein Abendmahl. Auch er war dem Gasthaus längere Zeit ferngeblieben, so daß Peter vermutete, dies hinge mit dem strengen Verhör der Familie durch den Richter – und ein wenig auch durch ihn – zusammen. Aber als der Bruder des Kaufmanns am frühen Abend das Wirtshaus betrat, da begrüßte er Peter so freundlich wie jeden anderen, setzte sich dann allerdings an einen eigenen Tisch. Von dort aus beobachtete er kauend den Händel suchenden Heinrich Füss, bis er schließlich des Gezänks müde war oder ganz einfach Mitleid mit dem Sonderling hatte. Er packte ihn, während er am Tisch vorbeischlich, am Gürtel und zog ihn neben sich auf die Bank, wo er kurz auf ihn einredete, wie er es schon einmal getan hatte. Der Schuster leistete nicht mehr lange Widerstand, sondern wandte sich nun der Bierspende zu, und kurz darauf ging sein lautes Pöbeln in Selbstmitleid und hilfloses Greinen über. Die Flößer prosteten Herrn Pütrich anerkennend zu und widmeten sich wieder dem aufregenden Spiel der Nagelprobe, bei dem es galt, die Humpen möglichst rasch und gründlich zu leeren, bis auf einen verbleibenden Tropfen, der so winzig war, daß er bei umgestürztem Becher auf einem Daumennagel Platz fand. Sie ließen sich dabei auch nicht beirren, als plötzlich Gottschalk an ihrem Tisch auftauchte.
    »Ah, der geschätzte Herr Prediger… da, setz dich her! Trink mit uns!«
    Der Pfaffe wirkte wirr, ließ sich aber das Angebot nicht entgehen. Er stürzte in unwidersprochener Siegerzeit einen Becher Greußing hinunter und spülte hastig mit einem zweiten hinterher. Während er sich am Ärmel seiner Kutte den Mund abwischte, fiel der Blick seiner rotgeränderten Augen auf den Tisch, an dem der zänkische Schuster und Ludwig Pütrich saßen. Er erhob sich, steuerte schwankend auf die beiden zu und fing dort zum Erstaunen der Flößer zu wettern an.
    »Der Zorn des Herrn ist entbrannt, und er empfindet Abscheu. O ja! Er wird sich kund tun und Gericht halten, fürchterliches Gericht.«
    Gottschalk kicherte plötzlich, verdrehte schelmisch die Augen und fragte in die Luft, so als käme von dort die Antwort: »Heute noch? – Oder erst morgen? – Oder doch erst übermorgen, wenn’s Ihm beliebt? Hahaha…«
    Er lachte dröhnend wie über seinen besten Witz, riß die Arme in die Höhe und rief: »Sei auf der Hut, Sünder, der du mit Ehebrechern Gemeinschaft hältst! Ja, sie wurden unrein durch ihre Taten und trieben Unzucht durch ihre Vergehen.«
    »Heut’ scheint ein Tag zu sein, an dem alles verkehrt herum geht«, raunte Paul dem Peter zu, und der erwiderte schmunzelnd: »Vielleicht liegt der Himmel schon zu unseren Füßen, und wir haben’s nicht gemerkt.«
    In der Gaststube war es inzwischen mäuschenstill geworden. Der Unheilsverkünder fuhr herum, sprang katzenartig und mit erhobenen Pranken ein paar Sätze auf die Flößer zu und flüsterte, zum erneuten Sprung geduckt: »Ihr fragt mich: Warum? Ihr wollt wissen warum?« Gottschalk schoß hoch und brüllte: »Er führte schlimmen

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