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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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wütend. Ich wollte da draußen nichts übereilen, aber wenn das wieder einer dieser verdammten Flößer auf dem Kerbholz hat, dann… dann…«
    »Nicht wieder«, entgegnete Peter ganz ruhig.
    »Was?«
    »Ihr könnt nicht sagen: wieder einer dieser Flößer, denn bisher hat sich keiner als schuldig erwiesen.«
    »Ja, und vielleicht war’s ein Fehler, und ich hätte wenigstens den Leonhart aufknüpfen lassen sollen«, brüllte der Richter. »Dann hätten wir jetzt nicht die Schererei. Oder, zum Henker, sagt Ihr mir doch, wer das da draußen angerichtet hat. Jeden Augenblick kann Leopold ans Tor donnern und ich muß mich erneut um so einen verfluchten Mord kümmern, der genauso irrwitzig ist wie die anderen!«
    »Jeder Mord ist irrwitzig«, gab Peter zurück.
    »Ach ja? Spart Euch das Klugscheißen für den Rat auf oder für Eure disputatio mit dem Teufel, wenn’s Euch selber erwischt hat.« Diener ließ sich erschöpft auf seinen Stuhl fallen.
    »Ich verstehe Eure Erregung«, lenkte Peter versöhnlich ein.
    »Ja, wirklich?« höhnte der Richter dazwischen.
    »… und es sieht auf den ersten Blick ganz offensichtlich nach einer Rache der Flößer aus. Aber schon deshalb ist es äußerst unwahrscheinlich. «
    »Sehr präzise«, stichelte der Richter. »Habt Ihr vielleicht auch noch einen Beweis?«
    »Ihr hättet gestern abend im Maenhartbräu sein sollen«, bemerkte Paul im Brustton der Überzeugung. »Sämtliche Floßleute waren wie Lämmer, obwohl sie der Schuster scharf herausgefordert hat. Die wollten keine Händel mehr mit ihm.«
    »Pah!« winkte der Richter ab. »Schlau eingefädelte Tarnung, um dann um so heimtückischer zuzuschlagen. Die waren dem Schuster doch spinnefeind.«
    Mein Gott, dachte sich Peter, da halten sie sich einmal vorbildlich zurück, und dann wird’s ihnen falsch ausgelegt. Was macht nur diese schlimme Geschichte mit uns allen.
    »Ludwig Pütrich war möglicherweise der letzte, der ihn lebend gesehen hat, außer dem Mörder natürlich. Wir sollten ihn befragen«, schlug Paul vor.
    »Meinetwegen«, stimmte der Richter zu, »klingt vernünftig. Und wir sollten auch gleich den Alten danach fragen, wie er den Mord am Schuster erklärt.«
    »Wie kommt Ihr darauf?« fragte Peter etwas verwundert.
    »Jetzt kann ich’s Euch ja sagen«, erklärte Diener, »nachdem der Füss tot ist und ich nicht mehr an mein Versprechen gebunden bin. Der Schuster hatte Stein und Bein geschworen, daß unmittelbar nach seinem Wirtshausbesuch in der fraglichen Mordnacht Birgit Pütrich ihn aufgesucht und bis zur lautstarken Entdeckung des toten Leonhart bei ihm gewesen sei. Ich mußte ihm damals versichern, keinen Gebrauch davon zu machen, weil er angeblich nicht wollte, daß die Dame in Verruf gebracht würde. Wahrscheinlich hatte er nur Angst, daß er mit dem Bekanntwerden seine letzte Zuflucht verlieren könnte.«
    Paul pfiff zwischen den Zähnen hindurch und schaute wissend seinen Freund an, der nun dem Richter von ihren eigenen Beobachtungen erzählte.
    »Sieh an, sieh an. Wenn nun der Alte davon erfahren hat…«, überlegte Diener laut und schloß daraus: »Es wäre nicht der erste Mord aus Eifersucht. Auf, laßt uns bei den Pütrichs vorsprechen!«
    Das kurze Stück Wegs über den Markt bis zum Ende der Rosengasse war rasch zurückgelegt, aber jeder ihrer Schritte wurde aufmerksam beäugt, um nur ja nicht den Fortgang des grausigen Ereignisses vom Morgen zu versäumen. Doppelt soviel Zeit wie der gesamte Herweg kostete das Warten auf Anselm und noch einmal soviel, bis ihm das Anliegen verdeutlicht war. Da fügte es sich, daß eben Heinrich Pütrich selbst von der vormittäglichen Freitagssitzung des Rates zurückkehrte.
    Er wirkte bleich und hohlwangig und hustete rasselnd. Als er die drei Peiniger sah, die er wie Stacheln im Fleisch empfand, verfinsterte sich seine Miene zusehends.
    »Was wollt Ihr?« herrschte er sie höchst unfreundlich an und ließ sie nicht weiter vordringen als bis in den Hausflur.
    »Mit Eurem Bruder sprechen«, gab Konrad Diener Bescheid.
    »Der ist nicht hier.«
    »Wo dann?«
    »Er verließ bei Sonnenaufgang in Geschäftsangelegenheiten die Stadt gen Augsburg. Guten Tag also!«
    »Einen Augenblick!« bremste der Richter. »Sicher habt Ihr schon von dem erneuten Mord gehört. Wollt Ihr uns sagen, was Euch dazu einfällt?«
    »Was wollt Ihr, Mann? Ich bin schwer krank und sollte nach des Tömlingers Verordnung das Bett hüten.« Er hustete, daß es ihn durch und durch schüttelte, und

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