Der Wachsmann
es klang verteufelt echt. »Ich habe mich nur ob der Dringlichkeit zum Rat geschleppt. Faßt Euch also in Gottes Namen kurz!«
»Ich kann Euch die Frage nicht ersparen«, sagte der Richter daraufhin fast schon mit Nachsicht. »Habt Ihr gewußt, daß Eure Frau zu sehr ungewöhnlichen Zeiten den Schuster Füss aufsuchte, der heute ermordet worden ist?«
»Wie?« Pütrich stutzte. »So ein Unsinn! Was wollt Ihr damit wieder unterstellen? Treibt es nicht zu weit, Herr Richter! Ich warne Euch.« Er keuchte sich fast die Seele aus dem Leib.
»Ich möchte Birgit Pütrich selbst sprechen«, forderte der Richter nun kühl.
»Das geht nicht. Sie ist unpäßlich.«
»Unpäßlich?« fragte Diener ungläubig.
»Ich lasse es nicht zu«, brüllte der Ratsherr heiser, »daß Ihr in meinem Haus meine Frau verdächtigt, und Ihr werdet sie nicht mit Euren unverschämten Fragen belästigen. Geht jetzt! Verlaßt mein Haus!«
»Schon gut, schon gut«, beschwichtigte der Richter und drohte zugleich: »Ihr werdet mir noch Auskunft geben, alle zusammen, und Eure Ausflucht wird Euch vielleicht noch leid tun.«
Er nickte seinen Begleitern zu, machte auf dem Absatz kehrt und rauschte wütend hinaus. »Die weichen aus«, brummelte er, »…wollen mich hinhalten. Aber die sollen mich kennenlernen. Eingebildetes Pack!«
Peter hielt es für das beste, den Richter mit seiner gereizten Stimmung erst einmal eine Zeitlang alleine zu lassen. Die beiden Pfleger verabschiedeten sich daher mit dem Vorwand, daß sie ihrem neuen Amtsbruder nicht so lange die gesamte Verantwortung an der Lände aufbürden dürften.
Dort angekommen, bat Peter seinen Freund, daß der ihn noch für eine Weile entschuldigen und vertreten möge, er müsse nachdenken. Und er wanderte weiter über die Brücke und durch die Au auf der anderen Seite der Isar und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
Die Tatwaffen gaben für eine Erklärung und Beweisführung wenig her, denn Ahlen konnten sich viele Leute an den verschiedensten Orten besorgen, und sie waren nicht besonders gekennzeichnet. Zudem war der Tote vermutlich erst erwürgt worden, und dies eröffnete noch ganz andere Möglichkeiten. Mit der Tatzeit war es da schon kritischer. Peter glaubte nicht daran, daß der Mord während der Messe geschehen war. Er war überzeugt, daß Heinrich Füss den Morgen gar nicht mehr erlebt hatte. Das hatte zumindest das Gute, daß jemand von den Flößern dadurch weniger in Frage kam, weil die Mehrzahl von ihnen außerhalb der Stadt auf dem Grieß wohnte. Diesmal mußte das Argument für sie sprechen.
Ludwig Pütrich hatte ihn nach Hause begleitet. Zumindest hatte er das vorgehabt. Was war dann geschehen? Sie mußten ihn unbedingt befragen und wohl auch den Rabenecker, ob er etwas gehört oder gesehen hatte, denn schließlich hatte der Schuster bei ihm gewohnt. Blieb noch die schwierigste aller Fragen: Wer hatte ein Interesse am Tod des Schuhflickers, und wem war er von Nutzen? Daß es sich nicht um einen Mord aus Habgier oder unbedachten Totschlag im Streit handelte, das schien gewiß, denn zum einen war Heinrich Füss ein armseliger Schlucker gewesen, zum anderen war der Mord regelrecht inszeniert und wohl auch planvoll vorbereitet worden.
Es war ähnlich wie mit den anderen Morden, bis auf die Tatsache, daß das Pergament ein wenig anders aussah und es darauf keinen eigentlichen Hinweis auf die Todesart gab. Es war diesmal auch nicht die Schrift des alten Pütrich. Doch das sprach nicht gegen ihn als möglichen Täter, denn er war sicher so gewitzt, nach dem Verhör durch den Richter nicht diesen unverzeihlichen Fehler zu begehen. Aber einen handfesten Beweggrund durfte man dem Alten schon unterstellen, wenn er wirklich die Beziehung seiner Frau zu Heinrich Füss herausbekommen hatte. Andererseits sprach sein derzeitiger beklagenswerter Zustand doch eher gegen eine Täterschaft. Oder hatte er sich Husten und Schnupfen bei kräftezehrenden Aktionen im Regen zugezogen? Er konnte sich auch eines Komplizen bedient haben. Doch wer kam dafür in Frage? Der alte Anselm gewiß nicht. Peter mußte lachen bei der Vorstellung, daß Anselm und der alte Pütrich als mörderisches Paar über den Kirchhof huschten.
Feinde hatte der mürrische Schuster viele gehabt. Letztlich konnten es sogar frühere Zunftbrüder gewesen sein, die den ewigen Nörgler, der ihr gesamtes Handwerk in Verruf brachte, zum Schweigen bringen wollten. Aber hätte es dazu dieser schaurigen Inszenierung auf dem Friedhof
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