Der Wachsmann
–, ungehindert auf ihn herein. Die große Halle sah er nur, wenn er Brennholz anschleppte oder den Boden fegte und frische Binsen streute. Wenigstens durfte er häufig der Herren Ritter Pferde versorgen, bei denen er sich so manches Mal ausweinte und deren stumme Zuneigung ihm Trost und Ausdauer schenkte.
Da Peter trotz seiner Enttäuschung und der häufigen Abreibungen umgänglich blieb und sein Geschick im Umgang mit Pferden alsbald unter Beweis gestellt hatte, wurde er nach einigen Monaten zu höheren Aufgaben herangezogen. Er durfte sich nun mit den Knappen der Edelfreien und den Söhnen der Wachsoldaten im Ringen und Stockkampf üben. Er lernte schnell und war ehrgeizig. So blieb es nicht aus, daß er im Umgang mit den Waffen bald viele seiner Kameraden an Geschicklichkeit übertraf.
Eines Tages geschah es, daß ein häßliches Wort fiel. Ein wenig älterer Knappe, der es nicht verwinden konnte, daß Peter ihm bei der Übung mit dem Schwert die Waffe aus der Hand geschlagen hatte, schalt ihn einen elenden Bastard. Peter wußte noch nicht um die Bedeutung der Schmähung, bis ihn der Fechtmeister, der den Jungen mochte, beiseite nahm und ihm Sinn und Tragweite des Wortes erklärte. Es war noch nicht einmal die fehlende Ritterbürtigkeit, die verhinderte, daß er jemals ein Ritter werden konnte. Es gab genügend Fälle, in denen Männer einfacher Herkunft aufgrund außergewöhnlicher Tapferkeit mit dem Ritterschlag geehrt wurden. Sein Hinderungsgrund war weitaus schwerwiegender: Der Makel seiner Geburt. Immerhin versuchte ihn der Fechtmeister zu trösten mit der Offenbarung, daß selbst der berühmte König Arthur und sein edler Recke Gawein als Bastarde zur Welt gekommen seien, während der Burgkaplan an die Mahnung Bertholds von Regensburg erinnerte: »Du möchtest vielleicht ein Ritter oder ein Herr sein, mußt aber ein Weber, ein Schuhmacher oder ein Bauer sein, wie dich Gott gerade geschaffen hat. Er hat einem jeden sein Amt gegeben, wie Er will, nicht wie du gerade willst.« Es half nichts, und die Kluft wurde eher größer, denn je mehr er sich anschickte, die anderen zu übertreffen, desto enger schlossen diese ihre Reihen und verwiesen Peter mit dem bösen Wort ins gesellschaftliche Abseits. Und plötzlich wurde Peter auch gewahr, daß das Leben auf der Burg nicht aus ständigen Festen und Turnierherrlichkeit, aus edlem Wettstreit und ruhmreichen Waffentaten bestand. Wenn nicht gerade fahrende Sänger, Gaukler oder Geschichtenerzähler etwas Leben in die Burg brachten, dann war der Alltag oft erschreckend eintönig. Dabei stieß sich Peter auch immer mehr an den rüden Umgangsformen der Soldaten, ja selbst der Herren, die fluchten und grölten, beim Mahle furzten und fraßen wie die Schweine und einander an derben Scherzen und Prahlerei mit angeblichen Heldentaten im Bett und im Felde zu überbieten suchten.
Wenn er aushielt, dann konnte er vielleicht in die Wachmannschaft aufgenommen werden als einfacher Soldat oder als Armbrustschütze sein Auskommen finden. Aber war es das, wovon er geträumt hatte? Peter ertappte sich dabei, wie er beim Rundgang auf den Mauern immer häufiger an der Westseite innehielt und verträumt in Richtung Schäftlarn blickte. Er sehnte sich plötzlich nach Wissen und Büchern, nach feierlichem Gesang und beschaulicher Stille.
Er hatte von seinen Träumen schon weitgehend Abschied genommen, als wenige Wochen vor Weihnachten überraschend der Vater eintraf und die schlechte Nachricht brachte, daß die Mutter erkrankt sei. Es mußte ernsterer Art sein, denn der Vater hatte das Pferd auf dem Wege von München derart geschunden, daß diesem der Schaum vor dem Maul stand und seine Flanken heftig zitterten. Der Kastellan lieh bereitwillig zwei Pferde aus, und Vater und Sohn sprengten nach Haarkirchen, als ginge es um ihr Leben. Der Tod hatte sich dort bereits sein Opfer gewählt, wobei er sich hinterhältig des Edelmutes von Theresa bedient hatte, um an sein grausames Ziel zu gelangen. Das Söhnchen des Gutsherren war beim Spielen in den Fischweiher gefallen, und die Magd, die als einzige das Geschrei der anderen Kinder beachtet hatte, war ungeachtet ihrer eigenen Gesundheit in das eiskalte Wasser gesprungen. Der Dank war neben dürren Worten des Gutsherrn, der etwas von Aufgabe und Pflichterfüllung murmelte, ein schlimmes Fieber.
Als Vater und Sohn eintrafen, fanden sie die Geliebte und Mutter in einem schrecklichen Zustand vor. Das sonst so frische Gesicht glühte
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