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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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und unaufhaltsam trabten die Pferde der unausweichlichen Begegnung zu. In engen Kehren führte die Landstraße schließlich hinab ins Loisachtal. Rechter Hand auf dem Hochplateau erhob sich die stolze Burg, in der Rudolf, der Bruder König Ludwigs, gerne weilte und in die er sich während ihrer Fehden zeitweilig zurückgezogen hatte. Der Markt bestand im wesentlichen aus der langgezogenen Straße, an der sich links und rechts die Häuser reihten, zur Rechten begrenzt vom steilen Hang, zur Linken von der Loisach gesäumt. Der Ort war wohl befestigt, nachdem er in früheren Zeiten wiederholt geplündert und niedergebrannt worden war. Peter hielt am unteren Tor gen München den Wagen an und fragte nach der Behausung Jakob Krinners.
    »Was wollt Ihr von ihm?« Der barsche Ton verhieß nichts Gutes.
    »Von ihm will ich nichts. Ich habe seiner Frau etwas zu überbringen.«
    Peter antwortete ausweichend. Er wollte nicht, daß gleich der ganze Ort von seiner schrecklichen Fracht wußte. Aber der bullige Torwächter war keineswegs gewillt, ihn so einfach ziehen zu lassen.
    »Woher kommt ihr beiden?«
    »Aus München. Und wir haben es eilig.«
    »Soso, aus München. Hab ich’s mir doch gedacht.« Er kraulte sich genüßlich am Kinn, als hätte er soeben den König der Diebe gefangen und erwarte nun reiche Belohnung.
    Das war ja auch furchtbar schwer, dachte Peter für sich, der anfing sich zu ärgern über diesen Klotz, der sich da vor ihm aufbaute.
    »Aus dieser Richtung kam zuletzt selten Gutes zu uns.«
    »Wir haben nichts Unrechtes im Sinn, und unsere Mission ist dringend. Der Stadtrichter selbst schickt uns.« Peter sah im Geiste den Richter den Kopf schütteln, während er sich in seiner Not schon wieder auf ihn berief. Aber was einmal geklappt hatte, mochte ja wieder funktionieren, und er würde es sicher verstehen. Doch bei dem Wächter kam er damit an den Falschen. »Euer Richter ist mir egal. Hier gilt das Wort unseres Herzogs. Und der will sicher wissen, was Ihr da in Eurer Kiste verbergt.«
    Peter hielt es nun für das Klügste, einfach die Wahrheit zu sagen. Doch diese will oftmals nicht als solche verstanden werden. Er winkte den Torwächter näher zu sich heran und flüsterte ihm zu, daß er eine Leiche in der Kiste transportiere und daß dies doch um Gottes willen nicht alle wissen müßten.
    »Ihr wollt mich wohl für dumm verkaufen«, argwöhnte der tumbe Arm des Gesetzes mit schräggestelltem Kopf und zu Schlitzen verengten Augen. »Ihr karrt also eine Leiche durch die Gegend. Und das bei dieser Hitze. Was Dümmeres konntet Ihr Euch wohl nicht ausdenken.«
    »Sieht es vielleicht aus wie eine Ladung Kohlköpfe?« maulte Peter erbost.
    »Werd’ nicht frech, Bürschchen!« In dieser Hinsicht waren die Wolfratshauser besonders empfindlich, denn von den Münchnern wurden sie nur allzugern als Krautfresser verspottet. Inzwischen wurde die Menge aus Neugierigen und Gaffern immer größer.
    Auch der zweite Wächter trat hinzu: »Was ist? Macht der Kerl Ärger?«
    »Nein, nein, er versucht nur witzig zu sein, trifft aber nicht meinen Geschmack. Er will mir weismachen, daß er eine Leiche spazieren fährt, während er vermutlich Diebesgut verschiebt oder ganz einfach unseren Herzog um seinen rechtmäßigen Zoll prellen will.«
    Der zweite Wächter klopfte vielsagend auf den Schaft seines Spießes. »Ich fürchte, wir müssen dem Schelm eine kleine Lektion erteilen. Dann wird er wissen, was ein guter Witz ist und wie unseres Herrn Ordnung aussieht.«
    Einige der Umstehenden lachten erwartungsfroh. Sie freuten sich schon auf eine kleine Rauferei.
    Peter riß jetzt das Schreiben aus seinem Wams und hielt es dem ersten Wächter verärgert unter die Nase. »So seht doch selbst, wenn Ihr mir nicht glaubt!«
    Der Wächter entfaltete das Pergament, starrte eine Weile darauf, hielt es quer und reichte es dann dem anderen Torhüter. »Ich kann daraus nichts Wichtiges entnehmen, was dich der verdienten Prügel entheben könnte.«
    Der zweite prüfte das Schreiben ebenfalls umständlich und reichte es dann mit verächtlich gerümpfter Nase an einen der Gaffer weiter. »Nicht von Belang. Du solltest jetzt langsam heruntersteigen von deinem hohen Roß.« Er trommelte wieder auf den Schaft und grinste gehässig.
    Mein Gott, diese Tölpel können nicht lesen! Peter war allmählich mehr besorgt als verärgert. Die Situation spitzte sich bedrohlich zu.
    »So seht doch wenigstens das Signum des Richters! Ihr dürft Euch nicht darüber

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