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Der Wachsmann

Der Wachsmann

Titel: Der Wachsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Rötzer
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hinwegsetzen! Er verfügt im Namen unseres Königs!« Peter hatte die letzten Sätze fast gebrüllt.
    »Sagte ich nicht schon, daß ich mich einen Dreck schere um deinen Richter?« wiederholte die Bulldogge. »Das Bürschchen kann auch nicht hören. So merk es dir: Mich interessiert nur das Siegel unseres Herzogs und nicht das anmaßende Stück Wachs seines kleinen Bruders, dieses Möchtegernkönigs. Und jetzt will ich wissen, was in dieser verfluchten Kiste steckt.«
    Er beorderte den zweiten Wächter auf den Wagen, der sich vergeblich mühte, den Deckel zu heben.
    »Holt Werkzeug! Steht nicht nur da und glotzt!« rief der Dicke den Umstehenden zu. Zwei, drei Burschen sprangen bereitwillig auf den Wagen und machten sich mit Messern und einer Brechstange ans Werk. Kurz darauf splitterte der Deckel. Der Wächter stieß ihn schließlich ganz zur Seite, faßte in die Kiste hinein und riß mit einem groben Ruck das Tuch entzwei, das Jakob verhüllt hatte.
    »Und, was ist?« Der Bullige, der wohl eher ein Triumphgeschrei angesichts eines überführten Missetäters erwartet hatte, sah seinen Amtsbruder und die eben noch kecken Burschen entsetzt in die Kiste starren. Und gleich darauf sprangen sie mit aschfahlen Gesichtern vom Wagen.
    »Zum Henker, was ist los? Was ist in der verdammten Kiste?«
    »Eine… eine Leiche«, krächzte der Wächter stimmlos, während zwei der Burschen, die den Sarg geöffnet hatten, die angedauten Reste ihres Mittagsmahles vor den Karren spuckten.
    Fast hätte Peter gelacht. Aber Jakob sah wirklich nicht gut aus. Übers Gesicht krabbelten ein paar Fliegen und Käfer, die es irgendwie geschafft hatten, in die Kiste zu gelangen und dort bereits ihr zerstörendes Werk begonnen hatten. Der Leib war aufgetrieben. Unter der wächsernen Haut trat deutlich ein Geflecht grünschwarzer Adern hervor. Der rechte Unterbauch war schmutzig grün verfärbt, und schon begannen sich Blasen mit faulig stinkender Flüssigkeit zu bilden. Die Hitze hatte die Fäulnis unbarmherzig vorangetrieben.
    Peter wendete Perchtolds Kopf zur Seite und barg ihn in seinem Arm. Ihm selbst sprang niemand zur Seite, als ihn jetzt der Bullige mit derbem Griff vom Wagen zerrte.
    »Hoho, da wirst du jetzt einiges zu erklären haben«, höhnte der Wächter, während er den überraschten Peter vor sich her in die Wachstube stieß. »Bin gespannt, was du dir diesmal einfallen läßt, um deinen Hals aus der Schlinge zu ziehen.« In seinem gehässigen Eifer wurde dem Schergen gar nicht bewußt, daß Peter ja die Wahrheit gesagt hatte. Die Gaffer hatten zuletzt in dichtgedrängtem Kreis den Wagen umstanden. Doch keiner hatte es mehr gewagt hinaufzuspringen und den erschreckenden Inhalt selbst in Augenschein zu nehmen. Jetzt rangen sie um die besten Plätze an der Tür zur Wachstube und schlossen bereits Wetten ab auf den Kopf von Peter und seines jugendlichen Freundes. Wo war der überhaupt abgeblieben? Keiner hatte im Getümmel auf ihn geachtet. Perchtold war verschwunden.
    »Wer ist der Tote?« begann der Dicke schroff das Verhör.
    »Jakob Krinner, Flößermeister und allhier zu Wolfratshausen ansässig.«
    Der Gewichtigere warf dem zweiten Schergen einen fragenden Blick zu.
    »Er ist ein schmutziger Lügner. Jeder hier im Ort kennt den Jakob. Die Leiche sieht verdammt nicht danach aus!«
    »Weil ihn der Tod entstellt und Ihr nur glotzt, anstatt richtig hinzuschauen.«
    Peter war wütend über die Dummheit der Wächter, die seiner guten Absicht eine so fatale Wendung gegeben hatte.
    »Hüte deine Zunge oder du bist sie schneller los, als ein Ferkel seinen Schwanz!«
    »Hängt ihn auf!« waren von draußen vereinzelte Rufe zu vernehmen.
    »Was hat ein Münchner hier mit einer Leiche zu schaffen, wenn er den Mann nicht selbst umgebracht hat?«
    »Ist die Leich’ fremd, geschieht ihm recht. Ist’s einer von uns, geschieht’s ihm doppelt recht.«
    Peter fühlte sich voller Entsetzen an die aufkochende Volksseele an der Lände erinnert. Und es kam noch schlimmer. Der Bullige war plötzlich von der unsäglichen Idee besessen, daß Peter im Auftrag König Ludwigs gehandelt und versucht habe, die Seuche in den Ort einzuschleppen, um damit seinem Bruder Rudolf, der in den Auseinandersetzungen um den Thron die Sache der Österreicher vertrat, empfindlich zu schaden, ja ihn womöglich zu vernichten. Und gerade jetzt, wo neue Waffengänge bevorstanden, mochte er gute Gründe hierfür haben.
    »Wie hoch war dein Preis?… Aus welchem Leprosenhaus

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