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Der Waechter

Der Waechter

Titel: Der Waechter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. Snyder
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Sauger. Von Nutzen ist es zum Beispiel, wenn ein Humānimus sein Fragment freiwillig abgeben und mit seiner einfachen Beseelung weiterleben möchte. Und natürlich dann, wenn ein Humānimus sein Fragment zum Bösen eingesetzt hat. Dazu muss man aber erst einmal an denjenigen herankommen. Ein weißer Assugo saugt das Fragment nur an. Der Prozess, der dann folgt, ist ganz natürlich. Die Gesandten spüren es, wenn ein Fragment beginnt, den Körper zu verlassen. Sie nehmen sich dessen an. Bevor sie das Fragment in die Quelle überführen, harmonisieren sie es. Das war alles, was Konstantin gemacht hat. Er hat das Fragment angesaugt, bis die Gesandten alarmiert waren. Er hat sich das Fragment aber nicht einverleibt, dafür ist er nicht stark genug, weil er es nicht trainiert wie ein Dunkler, verstehst du?»
    «Du bist ein Assugo!» Jenny starrte Konstantin fassungslos an.
    Abrupt beugte er sich zu ihr herunter.
    «Ich bin ein Weißer Krieger!», sagte er fest.
    «Mit Saugereigenschaften!», korrigierte Samuel ihn.
    Jenny hob beschwichtigend die Hände.
    «In Ordnung, ich hab verstanden», sagte sie. «Und wenn der Mensch sich wieder erholt, erinnert er sich dann nicht an alles?»
    «In der Regel nicht. Und sollte es doch mal vorkommen, wird ihm sowieso keiner glauben. Und er selbst wird nicht mehr fühlen, was er damals gefühlt hat. Es wird wie ein Film sein, der in seinen Gedanken abläuft. Nichts weiter.» Samuel schlug die Beine übereinander.
    «Aber wenn doch ein Gesandter spürt, dass ein Fragment den Körper für immer verlässt, warum schreitet er dann nicht ein, wenn sich ein dunkler Sauger das Fragment eines anderen einverleibt?» Jennys Gedanken liefen auf Hochtouren.
    Samuel war in seinem Element. «Warum sollte er?», fragte er zu Jennys Verwunderung zurück. «Es liegt den Gesandten fern, über Gut oder Böse zu richten. Sie urteilen nicht. Das sind irdische Denkweisen, die ihnen nicht inne sind. Ihr einziges Interesse gilt den Fragmenten, und dass sie im Einklang in die Quelle zurückkehren“, fuhr er fort, ehe sie antworten konnte. «Der Akt, in dem ein dunkler Sauger sich das Fragment eines anderen einverleibt, ist ein kontinuierlicher Prozess. Er saugt das Fragment an und verleibt es sich Stück für Stück ein. Ein Fragment geht in ein anderes Fragment über. Es tritt nicht den Weg zur Quelle an und somit eilt ihm auch kein Gesandter entgegen.»
    «Aber ein Fragment wird im Körper eines Dunklen stark beschädigt, das hast du selbst gesagt. Damit wird es für die Gesandten am Ende doch schwerer es zu harmonisieren. Warum sorgen sie dann nicht dafür, dass es bei dem noch Unreifen oder Weißen bleibt?»
    Samuel lachte und auch die anderen sahen schmunzelnd um sich. «Also doch ein Urteil?»
    Jenny dachte einen Moment nach. Dann antwortete sie: «Nein, kein Urteil, eher eine Art Arbeitserleichterung.»
    «Nein, nein.» Samuel winkte locker ab. «Es ist keine Arbeit für die Gesandten, keine Mühe. Es ist kein Zeitaufwand. Zeit und Raum spielen keine Rolle. Sie sind unbeschränkt im geistig-energetischen Dasein vorhanden. Auch Zeit und Raum sind Dinge, die dem Menschsein vorbehalten sind.»
    Das klang furchtbar kompliziert für Jenny. Wieso sollte man in der geistigen Welt keine Logik kennen? Sie dachte krampfhaft darüber nach. Und musste Samuel am Ende recht geben: Es hätte etwas Urteilendes, nähme ein Gesandter einem Dunklen das Fragment, nur um das Fragment oder andere zu schonen . Samuel hatte ihr schon vor langer Zeit klar gemacht, dass es den Fragmenten ebenso wie der Quelle nicht um Bequemlichkeit oder menschliche Bedürfnisbefriedigung ging, sondern um das Nähren der Quelle mit Erfahrungen und Wissen. Ein Fragment musste nicht wie ein Mensch Angst ums Überleben haben. Es würde immer existieren. Es musste sich nicht um Verdienste und Anerkennung kümmern. Nichts hatte eine nachhaltige Auswirkung auf es oder die Quelle. Alles ließ sich wieder in Einklang bringen, je näher das Fragment der Quelle kam. Es war nur eine Frage der Zeit, und die hatte keine Bedeutung. Das Dasein der Fragmente im Menschen glich einer Rolle in einem Schauspiel. Wenn das Stück endete, kehrten sie nach Hause zurück. Egal ob sie gut oder schlecht gespielt hatten. Immer wurden sie eingelassen, gehegt und gepflegt. Nur die Menschen hatten Interesse daran, Gut und Böse im Gleichgewicht zu halten. Und dafür setzten sie ihr Fragment ein. Für die eine oder die andere Seite. Eine deprimierende Aussicht für Jennys

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