Der Waechter
Fragment sehen können, auch wenn der andere seine Energie gerade nicht einsetzt. Meist sind das Seher. Die restlichen sehen es nur, wenn ein Humānimus seine Energie, mit der Absicht sich sichtbar zu machen, verdichtet. Deshalb konnte Cynthia dich gestern sehen. Normal beseelte Menschen sehen es gar nicht. Möchte sich ein Humānimus tarnen, hält er seine Energie zurück. Man kann ihn dann in der Regel im besten Fall nur noch spüren, aufgrund der Verbundenheit zwischen den Fragmenten. »
« Bald wirst du deine Fähigkeiten und deine Energie kontrollieren und steuern können. Dann fühlst du dich auch nicht mehr schlecht. Ganz im Gegenteil. Es ist herrlich, ein Seelenträger zu sein. » Ruth strahlte.
« Und was ist bis dahin? » Jenny starrte nachdenklich in ihre Tasse. « Was ist mit meiner Familie? Mit meinen Freunden? Was sollte die dunkle Seite darin hindern, mich zu Hause in meinem Zimmer, im Klassenzimmer oder im Schulbus zu überfallen? Konrad kann nicht immer überall sein. Was ist, wenn sie meiner Familie etwas antun, um mich dazu zu bringen, mich ihnen anzuschließen? Was sollte sie davon abhalten? »
Hinter Jenny polterte eine tiefe, laute Stimme los.
« Wir werden immer überall sein. Darauf kannst du einen lassen! », sagte Arthur.
Ebenso wie Konrad wenige Minuten zuvor, stand er schwitzend im Türrahmen und trank aus einer Wasserflasche.
« Hi Arthur. »
Jenny freute sich so sehr ihn zu sehen, dass sie beinahe aufgesprungen wäre, um ihm um den Hals zu fallen. Sie mochte seine schroffe aber ehrliche Art. Wenn sie in seine dunklen Augen blickte, spürte sie, dass sie ihm vertrauen konnte. Er war jetzt schon wie ein enger Freund für sie.
« Hi Jenny. Schön, dass du da bist. Ich würde mich freuen, wenn wir uns nachher im Keller sehen würden. »
Jenny sah ihn fragend an.
Arthur lachte wie ein Donnergrollen. « Keine Angst. Es ist lustig. Bis später! »
Er trank die Wasserflasche mit einem Zug leer und eilte in den Keller.
« Die Jungs trainieren da unten. Und wenn alles läuft, wie wir es uns vorstellen, tust du das auch bald », erklärte Ruth und wurde wieder ernst. « Aber um nochmal auf deine Frage zurückzukommen: Ich denke, es ist wichtig, dass du weißt, dass deine Familie genauso sicher ist wie die anderer Menschen. Seelenträger mögen besondere Fähigkeiten haben, aber sie sind Menschen. Sie fürchten sich ebenso vor dem Gefängnis wie Nicht-Humānimi. Sie werden nicht in einer Masse von Menschen einen Humānimus überfallen. Sie würden sich dadurch verraten und sowohl vom Gesetz als auch von uns verfolgt werden. Außerdem kann auch ein guter Kämpfer von einer großen Überzahl Menschen überwältigt werden. Weißt du, die Einverleibung eines Animusfragments durch einen Sauger braucht seine Zeit. Ich rede von Stunden. Es genügt nicht, dich kurz anzurempeln. Man müsste dich mehrere Stunden lang ruhig halten und das werden wir nie zulassen. Dazu kommt, dass der Sauger so stark sein muss, dass er nicht an deiner Energie zugrunde geht. Alles andere wäre unbedacht, denn noch weiß keiner, wie stark deine Energie eigentlich ist. » Liebevoll strich Ruth Jenny über den Arm. « Und zum Abschluss noch was Wichtiges: Keiner deiner Freunde und Familienmitglieder darf von deinem Animus-Dasein wissen. Es ist das Geheimnis, das unter uns Gleichgesinnten bleiben muss. Es existieren nur ganz selten mehrere Animus-Beseelte in einer Familie. Ich kenne gerade mal eine Handvoll. Es hat mal eine ganze Familie gegeben … es war schrecklich … » Ruth schüttelte abwehrend den Kopf, als wolle sie die Erinnerung daran für immer los werden. « Jedenfalls musst du absolut verschwiegen sein. Es ist lebenswichtig, verstehst du? » Eindringlich sah Ruth Jenny an. Dann meinte sie: « Aber ich würde sagen, dass wir für heute genug Angst verbreitet haben. Wie wär es mit einer Hausführung? Dann schaust du was die Jungs im Keller so treiben und ich gehe meiner Kochleidenschaft nach. » Ruth stand auf und vergewisserte sich, dass Jenny ihr folgte.
Besonders auf Konrads Zimmer war sie gespannt. Im Erdgeschoss kannte sie sich inzwischen aus. Dort lagen das Wohnzimmer, die Küche, das Esszimmer, Samuels Arbeitszimmer, zwei Gästezimmer und ein Gästebad sowie ein kleines Gäste-WC. Im oberen Stockwerk befanden sich die Schlafzimmer der Stammbewohner und zwei große Badezimmer. Zwei Zimmer waren unbewohnt und lediglich funktionell mit Bett, Nachttisch und Bücherregal ausgestattet.
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