Der Waechter
längst. Außerdem wissen alle, die es angeht: Wo ein Wächter ist, gibt’s noch mehr. Wir sind also genauso sicher oder unsicher wie vorher.»
Abrupt blieb Jenny stehen.
«Mit mehr Wächter meinst du wohl den unwiderstehlichen Ludwig, oder? Wo bitte schön ist er denn?»
Provokativ stellte sie sich auf die Zehenspitzen und schaute sich auffällig um.
«Das werde ich dir gerade auf die Nase binden, du Künstlerin der Ausreißversuche.» Konrad sah sie an.
Seine hellen Augen funkelten wie Edelsteine.
«Na, für dich scheint es ja ein Heidenspaß zu sein.»
In Jenny brodelte es.
Doch Konrad lachte herzhaft.
«Ich weiß nicht, was du hast: Ludwig ist ein guter Wächter», sagte er, noch immer lachend.
Aus Jennys Sicht versetzte er ihr damit noch einen Stich. Mit jedem weiteren Lacher wich ihre Enttäuschung dem Zorn.
«Na dann freu dich doch, dass du mich endlich los bist!», fauchte sie ihn an.
Verärgert über ihren Ausbruch, biss sie sich auf die Unterlippe.
Sein Lachen verstummte abrupt.
«Wieso los bin? Ludwig und Eva unterstützen mich doch nur.»
Er wirkte ernsthaft überrascht.
«Ach tu nicht so! Du wolltest doch, dass er mein Wächter wird. Der nervigen Jenny kann man doch jeden schmierigen Typen auf den Hals hetzen. Sie ist es ja gewohnt, von Trotteln umgeben zu sein. Was gerade wieder bewiesen wurde.»
Mit der Hand zeigte sie in die Richtung, in die Alfons abgezogen war. Jenny schrie es sich von der Seele. Tränen schossen ihr in die Augen. Spätestens jetzt war ihre Verletzung offensichtlich geworden.
«Aber weißt du was? Ich will überhaupt niemanden mehr von euch um mich haben. Ihr seid genauso verlogen wie alle anderen Menschen. Genauso bösartig. Und jetzt geh und freu dich deines Lebens!», zischte sie zornig, drehte sich um und lief weiter.
Hör auf zu plärren, dumme Kuh!
Konrad sollte keinesfalls die Tränen sehen, die ihr über die Wangen liefen. Sie zog ein Taschentuch aus der Jacke und schnäuzte sich. Wie sehr hatten alle sie enttäuscht. Konrad, dem sie zu anstrengend wurde und Cynthia mit ihrer furchteinflößenden Attacke gegen sie. Es konnte für alle nur besser sein, wenn sie sich fern von ihnen hielt. Wenn sie es lernen konnte, ihre Fähigkeiten zu steuern, konnte sie auch lernen, sie zurückzuhalten.
Genau das werde ich tun!
Ein kurzer Luftzug verriet ihr, dass Konrad hinter sie geeilt war. Er packte sie am Ellenbogen und riss sie zu sich herum.
«Ja, wir sind nur Menschen. Wir streiten uns, machen Fehler, beneiden andere, die besser sind und ja, wir reagieren manchmal über. Wie alle anderen Menschen auch. Es war ein Fehler von Cynthia dich so anzugehen, aber hast du auch nur im Entferntesten eine Vorstellung davon, was es für Folgen haben kann, wenn ein Schattenträger an deine Gedanken rankommt? Du kannst sie noch nicht mal Cynthia gegenüber verbergen und sie ist eine Kriegerin. Wie leicht wird es erst ein Telepath der Gegenseite bei dir haben, wenn du an das Besprochene zurückdenkst? An die Entscheidungen, die getroffen wurden, die Strategien? Es kann verheerende Folgen haben. Menschenleben hängen davon ab! Unter anderem auch deins.» Konrads Fragment glühte vor Zorn, seine Augen brannten.
Jenny starrte ihn an, öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn dann aber wieder. Nein, daran hatte sie nicht gedacht. Sie hatte es ignoriert. Nur ihre Verletzungen waren ihr wichtig gewesen. Wie gedemütigt und im Stich gelassen sie sich fühlte.
Oh, mein Gott! Was hab ich getan!
Jenny spürte, wie sich ihr Schutz aufweichte. Ihr rosafarbenes Licht sickerte aus den Poren. Konrads Haltung entspannte sich und sein Blick wurde sanft.
«All das konntest du nicht ahnen, Jenny. Wir haben dich, nein, wir müssen dich über vieles im Ungewissen lassen. Auch wenn du so wichtig für uns bist. Es ist sicherer so.»
Jenny schluchzte.
«Aber ich hab mich so im Stich gelassen gefühlt.»
Sie wollte nicht vor ihm weinen, aber ihre Tränen rollten.
Zärtlich fasste er sie am Arm.
«Das brauchst du nicht. Wir sind da! Aber wir wollten dich auch nicht bedrängen. Du kannst dich jederzeit gegen uns entscheiden. Und wenn du Zeit zum Nachdenken brauchst und niemanden von uns sehen willst, dann akzeptieren wir das. Passen aus der Ferne auf dich auf.»
Er lächelte. Sein ruhiges, warmes Lächeln.
«Es war nicht nur Cynthias Wutausbruch», sagte sie leise. «Ich fühlte mich von dir im Stich gelassen!»
«Wieso das denn?»
Konrads Stirn lag in Falten. Er ließ ihren Arm
Weitere Kostenlose Bücher