Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
typischer Fall von hate crime.«
Storm breitete entschuldigend die Arme aus. » Dann nehme ich das zurück. War auch Jonas Vestergaard ein Mitglied dieser Gruppe?«
Katrine schüttelte den Kopf. » Nicht, während er mit Dennis zusammenwohnte. Aber vielleicht später. Wir wissen auf jeden Fall, dass er ein Waffennarr war, seine Freizeit mit ausländerfeindlichen Leuten verbrachte und ständig über den Bau von Bomben geredet hat. Er besaß also die Fähigkeit, die Mittel und ein Motiv.«
Storm kratzte sich am Kinn. » Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Organisation wie die Blutsbrüder hinter einem Terroranschlag steht?«
» Zieml…«
» Niels?«, unterbrach er sie.
Niels zuckte die Schultern. » Irgendwann passiert alles zum ersten Mal, nicht wahr?«
Storm nickte und betrachtete die Fotos der vielen Skinheads. » Ich bin zwar skeptisch, aber vielleicht sollten wir Bjarne eine Zeit lang observieren.«
» Dann brauchen wir unbedingt Sonnencreme«, sagte Katrine.
» Warum?«
» Weil Bjarne heute in den Sudan fliegt. Das hat mir das Außenministerium bestätigt. Sein Visum ist bereits ausgestellt worden.«
» Dann warten wir eben, bis er zurückkommt.«
» Nikolaj. Selbst wenn die Gruppe nichts mit dem Bombenanschlag am Kongens Nytorv zu tun hat, können wir doch nicht so tun, als wüssten wir von nichts. Es macht nicht gerade einen guten Eindruck, wenn herauskommt, dass kriminelle Neonazis für unser Außenministerium arbeiten.«
Storm betrachtete sie. Sie beherrschte das politische Spiel perfekt. So gut wie Kampmann und weitaus besser als er selbst. Außerdem zögerte sie nicht eine Sekunde. Das war es, was ihm an ihr am meisten imponierte und was seine größte Schwäche war.
Storm öffnete die Tür und rief Tom und Henrik zu sich.
Sie kamen in sein Büro und schlossen die Tür hinter sich. Er gab ihnen die notwendigen Informationen über Bjarne Kristoffersen, der in Valby wohnte. Tom stieß einen lang gezogenen Pfiff aus, als er das Foto sah, das auf dem Tisch lag. » Das ist ja ein richtiger kleiner Nazi.«
Katrine zwinkerte irritiert. » Entschuldigung, was passiert hier eigentlich? Niels und ich haben ihn aufgespürt, da sollten wir es doch wohl sein, die ihn abholen.«
Tom empfing die Adresse aus Storms Hand. » Das liegt nicht in deinem Ermessen, Katrine«, sagte er und fügte hinzu: » Wir machen uns gleich auf den Weg.«
Tom gab Henrik ein Zeichen, und im nächsten Moment waren sie aus der Tür.
Katrine schüttelte den Kopf. » Nikolaj?«
» Ich will, dass Bjarne unbeschadet hier eintrifft. Und ich will mit ihm reden, ohne dass irgendein Anwalt ihn wegen einer irregulären Festnahme hier wieder rausholt.«
» Und warum glaubst du, dass ich dazu nicht imstande bin?«
Sein Schweigen war Antwort genug.
*
Henrik und Tom gingen auf das rote Reihenhaus zu, in dem Bjarne Kristoffersen wohnte. In der Küche, die der Straße zugewandt lag, waren die Gardinen vorgezogen. Aus dem Haus drangen Radiogeräusche. Henrik betätigte den Türklopfer. Kurz darauf erschien Bjarne in der Tür. Er blickte zu Henrik auf, der sich vorstellte und ihn bat, mit ihnen zu kommen.
Bjarne starrte ihn sprachlos an. » Soll das ein Witz sein? Ich muss gleich zum Flughafen.«
» Tut mir leid«, entgegnete Henrik, » aber heute werden Sie bestimmt nicht mehr fliegen können.«
Bjarne beklagte sich lautstark, dass er einen wichtigen Job zu erledigen habe und deswegen für sechs Monate ins Ausland reisen müsse.
» Tut uns leid, aber daraus wird erst mal nichts«, sagte Henrik und trat einen Schritt auf ihn zu.
» Und was werfen Sie mir vor?«
» Dazu kommen wir später. Erst einmal wollen wir mit Ihnen reden.«
» Können wir das nicht hier machen? Ich darf meinen Flug wirklich nicht verpassen.«
» Ich fürchte, das Gespräch wird ein bisschen länger dauern«, sagte Henrik und legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter. » Nehmen Sie einfach Ihre Jacke und kommen Sie mit. Alles andere wird sich finden.«
Bjarne sank ein wenig in sich zusammen. Er fragte, ob er seinen Chef anrufen könne, um ihm mitzuteilen, dass er verhindert sei. Henrik erlaubte es ihm. Sie begleiteten ihn ins sparsam möblierte Wohnzimmer. Auf dem Sofa lag ein offener Koffer, der halb gepackt war.
Bjarne rief bei Valhal Securities an und meldete sich krank. Dann holte er seine Jacke.
Tom blickte sich um. » Für einen Nazi wohnt der ziemlich normal«, murmelte er.
Henrik schüttelte den Kopf. » Was hast du erwartet?
Weitere Kostenlose Bücher