Der wahre Feind: Kriminalroman (German Edition)
versichern, dass ich mich von alten Fällen nicht beeinflussen lasse.«
Kampmann lächelte versöhnlich. » Schon gut, ich kenne dieses Gefühl sehr genau. Es quält Sie nach wie vor, dass Sie den Attentäter nie dingfest machen konnten. Aber das darf Ihre Urteilsfähigkeit im gegenwärtigen Fall nicht beeinträchtigen.«
» Es geht hier überhaupt nicht um diese alte Sache.« Kampmanns Küchenpsychologie nervte ihn. » Es geht ganz einfach darum, dass die Leute, die wir festgenommen haben, möglicherweise nichts mit dem Bombenattentat am Kongens Nytorv zu tun haben. Was wiederum bedeutet, dass die wahren Täter immer noch frei herumlaufen und vielleicht schon den nächsten Anschlag planen.«
Kampmann lachte glucksend.
» Was?«
» Nikolaj! Es wird immer genug Bedrohungen geben, ganz gleich, was wir tun. Davon leben wir ja schließlich. Das ist Ihr und mein täglich Brot. Ständig auf der Hut sein zu müssen. Immerzu nach möglichen Gefährdungen Ausschau zu halten. Die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, wie wir es in den Fällen am Glasvej, in Vollsmose und nun im Bregnehøjpark getan haben. A job well done, wie sie auf der anderen Seite des großen Teichs sagen. Sie bilden sich doch nicht etwa ein, dass nach diesem Fall Ruhe einkehren wird? Dann wären Sie wirklich ganz schön naiv.«
» Ja, das bin ich vielleicht. Aber wir sind schließlich verpflichtet, jede einzelne Aussage zu überprüfen. Ein Geständnis allein reicht nicht. Auch wenn ihre Aussagen eine so hochrangige Figur wie Badr Udeen belasten.«
Kampmann warf ihm einen finsteren Blick zu. » Vielen Personen – nein, lassen Sie mich das präzisieren! –, vielen wichtigen Personen in unserer Behörde würde das vollkommen ausreichen. Dass Sie Palsby Badr Udeen auf dem Silbertablett servieren, ist nicht nur in diesem Fall, sondern für uns alle eine große Sache. Auch für Sie, Nikolaj! Sie sollten lernen, Ihre Erfolge zu genießen, statt sich wie ein mürrischer alter Kommissar mit Magengeschwür aufzuführen. Moderne Polizeiarbeit hat zu einem erheblichen Teil mit Politik zu tun.«
» Mit Politik?«
» Ganz genau. Wir haben es hier ja nicht auf unbescholtene Bürger abgesehen. Wir nutzen nur entschlossen unsere Ressourcen, das ist alles.«
» Wenn Sie die Ermittlungen so leiten wollen, dann müssen Sie mich davon abziehen.«
Kampmanns Augen wurden schmal. » Man läuft nicht einfach davon, Nikolaj.«
» Das habe ich auch nicht gesagt …«
Kampmann hob die Hand und fiel ihm ins Wort. » Ich schreibe Ihnen nicht vor, wie Sie Ihre Ermittlungen führen sollen. Das überlasse ich vollkommen Ihnen. Ich beschreibe nur die Situation. Welche Resultate erwünscht sind. Was von einem Abteilungsleiter erwartet wird. Wir haben, wie gesagt, nicht genügend Ressourcen, um jeden einzelnen Stein umzudrehen. Als Sicherheitsbehörde sind wir in erster Linie dafür verantwortlich, dass die Bürger unseres Landes nachts ruhig schlafen können. Alles andere ist zweitrangig. Wenn wir zu viel in den Rückspiegel schauen, dann kollidieren wir mit dem, was vor uns liegt.«
Auf dem Heimweg dachte Storm über Kampmanns Worte nach. Natürlich hatte er recht. Die Ermittlungen hatten sämtliche Abteilungen an die Grenzen ihrer Kapazität gebracht. Unter der aufgestauten Arbeit würden sie das nächste halbe Jahr zu leiden haben. Was sollten sie tun, wenn sie sich morgen oder übermorgen einer konkreten Gefahr gegenübersahen? Die operative Einheit bestand nur noch aus einem Haufen ausgebrannter Agenten. Er musste diesen Fall möglichst schnell abschließen, ob es nun Widersprüche in den Aussagen der Inhaftierten gab oder nicht. Faris hatte ihnen doch die meisten Fragen beantwortet, wenn auch die Beweislage ein wenig dünn war. Sie mussten jetzt die Schuldigen präsentieren, mochte es sich auch um Sündenböcke handeln. So war nun mal die Realität, ob ihm das gefiel oder nicht.
Sein Handy meldete sich. Es war Niels. » Ich hab schlechte Nachrichten. Katrine Bergman ist gestern überfallen worden.«
» Wie geht es ihr?«
» Sie liegt auf der Intensivstation.«
» Wo?«
» Im Herlev-Hospital.«
Storm beendete das Gespräch und nahm die nächste Ausfahrt. Dann folgte er der Hauptstraße, bis das Krankenhausgebäude vor ihm in Sicht kam.
31
In Halle B standen die Valhal-Anwärter in einer Reihe und lauschten Løvengrens Ansprache. Benjamins schwarzes T-Shirt war völlig durchgeschwitzt. Endlich hatte er den VIP -Fahrtest bestanden. Nur ein einziges Mal war
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