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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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seiner Kirche geworfen hatte, hatte sich jemals in dieser Weise auf die göttliche Gnade berufen. Und kein Herrscher, auch nicht der Eroberer selbst, hatte gewagt, alte Gesetze und Bräuche zu missachten. Karl I. hingegen nahm sich den Absolutismus nach dem Beispiel Frankreichs zum Vorbild – doch das widersprach eindeutig der englischen Lebensart.
    So dauerte es auch nicht lange, bis der König sich heillos mit dem englischen Parlament zerstritten hatte. Die Puritaner verdächtigten ihn, den Katholizismus wieder einführen zu wollen – schließlich war seine französische Frau katholisch. Den Kaufleuten missfiel seine Schwäche für Zwangsanleihen. Die Mitglieder des Parlaments waren empört, dass er sie eigentlich nur als Erfüllungsgehilfen betrachtete. Im Jahre 1629 löste Karl I. das Parlament auf und beschloss, fortan allein zu regieren.
    Die Frage war nur, wie er das nötige Geld auftreiben sollte. Solange er sich nicht in einen Krieg verwickeln ließ – was stets große Kosten verursachte –, hätte Karl I. mehr oder weniger über die Runden kommen müssen. Schließlich konnte er ja auf Zölle, verschiedene Gebühren und die Pachterträge der königlichen Ländereien zurückgreifen. Allerdings war seine Habgier noch nicht gestillt, weshalb er sich darauf verlegte, Titel zu verkaufen. Ein Baronet brachte ein ordentliches Sümmchen. Und als er und seine Berater sich nach weiteren Einkommensquellen umsahen, schlug einer vor: »Was ist mit den königlichen Wäldern?«
    Niemand konnte richtig beantworten, welchen Zweck sie eigentlich erfüllten. Natürlich, es gab dort Hirsche. Doch bei Hofe erinnerte man sich eigentlich nur an sie, wenn für eine Krönungsfeierlichkeit oder eine andere große Festivität große Mengen Wildbret gebraucht wurden. Hingegen war das Holz einer näheren Betrachtung wert. Darüber hinaus ließ sich mit Hilfe der von den Grafschaftsgerichten verhängten Geldstrafen ein kleines Einkommen erzielen.
    Und zu guter Letzt meinte ein schlauer Ratgeber: »Warum schicken wir keine Richter in den New Forest?«
    Nachdem man ihm die Konsequenzen einer solchen Maßnahme genau erklärt hatte, war Karl I. ganz begeistert von diesem Vorschlag. Richterliche Rundreisen – Forest Eyre genannt – waren ein Brauch aus der Zeit der Plantagenets. Hin und wieder, zuweilen im Abstand von mehreren Jahren, suchten die Reiserichter des Königs den New Forest auf, nahmen alles in Augenschein, räumten mit Verwaltungsfehlern auf und verhandelten offen gebliebene Fälle. Man wusste schon vorab, dass sie ein paar saftige Geldstrafen verhängen würden. Soweit man sich erinnern konnte, hatte schon seit Generationen – genauer seit Heinrichs VIII. Regentschaft – keine richterliche Rundreise mehr stattgefunden. Karl I. war begeistert: ein altes königliches Recht, von dem sein ungehorsames Volk nichts mehr wusste. Und so erschienen im Jahr 1635 zur allgemeinen Verärgerung der Waldbevölkerung die königlichen Reiserichter im New Forest.
    Die Ergebnisse waren recht viel versprechend. Drei große Holzdiebstähle – es handelte sich um jeweils tausend Bäume – kamen ans Licht und zogen beträchtliche Geldstrafen nach sich: tausend, zweitausend und dreitausend Pfund – eine fette Beute also. Doch es waren nicht diese hohen Summen, die die Waldbewohner so erbosten, sondern der Umstand, dass man sich an den einfachen Leuten schadlos halten wollte.
    Im Sommer 1635 wurden vor dem Grafschaftsgericht des New Forest nicht weniger als zweihundertachtundsechzig Fälle verhandelt. Früher waren es durchschnittlich ein Dutzend im Jahr gewesen. Noch nie hatte man so etwas im New Forest erlebt. Jeder Zentimeter Land, den man sich in vergangenen Generationen unbemerkt angeeignet, jede Hütte, die man ohne Genehmigung erbaut hatte wurden mit einer Strafe belegt. Im ganzen Wald gab es kein Dorf, keine Familie, die nicht bei einem Fehltritt ertappt worden wäre. Und anstatt Milde zu üben, griff man den Übeltätern tief in die Tasche. Tagelöhner, die in illegalen Gebäuden hausten, mussten drei Pfund Strafe zahlen. Ein Freisasse wurde wegen Wilddiebstahls zu hundert Pfund verdonnert. Ein paar Meter Grund, abgezweigt, um dort Bienenkörbe aufzustellen, ein kläffender Hund, einige verbotenerweise grasende Schafe – all das führte zu hohen Geldstrafen. Wie immer, wenn Karl I. sich einmal zu etwas entschlossen hatte, ging er sehr gründlich zu Werk. Gesetzlich war er zwar dazu berechtigt, doch mit der typischen

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