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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Höfe klein und die Böden nicht sehr fruchtbar waren, wäre ein Überleben der Gemeinschaft ohne die Gewohnheitsrechte nicht möglich gewesen, bei denen es sich vor allem um die vier folgenden handelte: Pasture – das Weiderecht; Turbary – das Recht zum Stechen von Torf als Brennmaterial; Mast – das Recht auf die grünen Eicheln im Herbst als Schweinefutter; und Estovers – das Recht, Unterholz zum Verfeuern zu schneiden. Dazu kamen noch weniger bedeutende Privilegien wie das Recht auf Mergel zur Düngung der Böden und das Recht zum Mähen von Farn zum Auslegen der Ställe. Diese alten Gewohnheitsrechte wurden nach einem komplizierten System vergeben und galten zuweilen nur für einen einzelnen Hof. Allerdings war es Sitte, dass der jeweilige Grundbesitzer sie auch für seine Pächter in Anspruch nehmen konnte.
    Stephen Pride und Gabriel Furzey lebten auf Land, das den Albions gehörte. Und da Alice eines Tages die Besitzerin sein würde, hatte der Vater sie in Begleitung seines Verwalters losgeschickt, um einige wichtige Dinge in Erfahrung zu bringen.
    Als Pride näher kam, sah er Alice am Rande des Dorfangers im Schatten sitzen. Man hatte für sie eine Bank und einen Tisch aufgestellt. Der Verwalter stand neben ihr. Auf dem Tisch war ein großes Stück Pergament ausgebreitet. Alice saß kerzengerade da. Sie trug ein grünes Reitkleid und einen breitkrempigen Hut mit einer Feder. Das rötliche Haar und die blaugrauen Augen hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Pride lächelte, denn er fand sie ziemlich hübsch. Er kannte Albions Tochter schon seit ihrer Kindheit, denn er war nur sieben Jahre älter als sie. Er wusste noch, dass sie sich mit zwölf nicht zu fein gewesen war, ein Pony-Wettrennen mit ihm zu veranstalten. Sie hatte Temperament, und das gefiel den Waldbewohnern.
    »Stephen Pride.« Sie brauchte sich vom Verwalter nicht an seinen Namen erinnern zu lassen und sah ihn fröhlich an. »Was soll ich für Euch aufschreiben?«
    Es war seit Menschengedenken das erste Mal, dass sämtliche Gewohnheitsrechte auf einer Liste verzeichnet wurden. Schließlich galten diese schon seit jeher, und die Menschen merkten sie sich einfach. Falls es zwischen den Bauern Meinungsverschiedenheiten gab, wurden diese durch die Geschworenengerichte und Gemeindevertreter geklärt. Warum also sollte jemand sich die Mühe machen, all das aufzuschreiben?
    Als Stephen Pride die Gewohnheitsrechte aufzählte, über die sein Hof verfügte, kannte er den Grund sehr wohl. »Das ist«, hatte er am Vortag zu seiner Frau gesagt, »für unseren Herrscher, den verfluchten König.« Und als er der jungen Alice jetzt in die Augen sah, war ihm klar, dass sie dasselbe dachte, obwohl keiner von ihnen es aussprach.
     
     
    Wenn man der Geschichtsschreibung glauben kann, musste man die Mitglieder des Hauses Stuart erst richtig anlernen, bevor sie gute Könige abgaben.
    König Jakob I. hatte eine hervorragende Ausbildung genossen. Während seiner traurigen Lehrjahre in Schottland, wo jedem Monarchen traditionsgemäß das Messer an der Kehle sitzt, hatte er sich zu einem schlauen Fuchs entwickelt. Trotz seines Glaubens an das Gottesgnadentum achtete er stets darauf, das englische Parlament nicht allzu sehr zu brüskieren. Außerdem war er ein weltgewandter Mann und träumte von einer Vermittlerrolle zwischen den religiösen Lagern. Er beabsichtigte, seine Kinder mit Angehörigen protestantischer und katholischer Königshäuser zu vermählen und dafür zu sorgen, dass beide Religionen in England geduldet wurden. Doch dieser Wunsch entpuppte sich als Luftschloss. Europa war noch nicht bereit für die religiöse Toleranz, obwohl sich Jakob trotz seiner Fehler redlich Mühe gab. Anders als er war sein Sohn Karl nicht durch diese harte Schule gegangen, weshalb er die Stuartsche Engstirnigkeit in ihrer schlimmsten Form verkörperte.
    Es ist ein sinnloses Unterfangen, einen großen Gedanken – oder einen guten – einem beschränkten Gehirn einpflanzen zu wollen, wobei das Gottesgnadentum eher zu den geistigen Irrtümern zu zählen ist. Von der Verlogenheit abgesehen, mit der Karl I. seine Ziele durchzusetzen versuchte, waren die Vorträge, die er seinen Untertanen hielt, von einer fast kindischen Naivität. Obwohl kein dummer Mann – er besaß einen beachtlichen Kunstverstand –, machte ihn das Pochen auf seine Vorrechte blind für die einfachsten politischen Tatsachen. Kein englischer König, nicht einmal der mächtige Heinrich VIII. der den Papst aus

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