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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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etwa auf die Lauer gelegt?« Olga war jetzt doch überrascht.
    Benno richtete sich stolz auf. »Vergangene Nacht bin ich losgefahren. Ich konnte nicht einfach herumsitzen, ich musste etwas tun.«
    Wenigstens einer, der etwas unternimmt, um Hanna zu helfen, dachte Olga gerührt. »Sag mal, bist du zufällig an der Hütte gewesen, so gegen zwölf?«
    Olga wusste, wie unsinnig die Frage war. Benno wäre einfach hereinspaziert und hätte sich nicht draußen vor dem Fenster herumgedrückt. Dennoch musste sie ihn fragen. Vielleicht wollte er nur nicht stören.
    »Nein, wieso?«
    »Weil ich jemanden gesehen habe. Beziehungsweise, ich glaube, jemanden gesehen zu haben.«
    Noch einmal erzählte Olga, was ihr und Thorvald in der Nacht widerfahren war. Benno runzelte die Stirn. »Hm, ich war nur am Steinbruch. Ich bin von oben gekommen und habe es mir in meinem Schlafsack bequem gemacht. Leider zu bequem, denn dann bin ich eingeschlafen und erst gegen halb neun wieder aufgewacht.« Benno verzog das Gesicht. »Das mit dem Hund hätte mir natürlich auch passieren können. Ich muss mir eine bessere Ausrüstung zulegen. Wer weiß, was für Gesindel da nachts im Wald herumrennt. Aber ich frage dich   …« Wieder diese Verschwörermiene. »Wer muss nachts arbeiten?«
    Olga runzelte die Stirn. »Zeitungsausträger, Bäcker, Grabplünderer   …«
    »Bevor ich eingeschlafen bin, habe ich gesehen, dass Robert irgendetwas in seinen blöden Laster gehievt hat – und zwar bestimmt keine Brötchen. Von dort, wo ich lag, konnte ich nicht bis ganz unten sehen, da ist doch dieser Felsvorsprung. Robert muss aber direkt unter mir gewesen sein. Und er ist geflitzt wie ein Wiesel. Dieser Muskelbolzen kam mir vor wie ein menschlicher Gabelstapler. Heute Nacht werde ich mir eine bessere Position suchen   …«
    »Willst du etwa schon wieder dahin?«, fragte Olga entsetzt. »Vielleicht sollten wir besser den Kommissar einschalten.«
    »Und dann? Wenn die Polizei jetzt anrückt, wird er aufgescheucht, dann ist er gewarnt. Er darf nichts merken.«
    Benno sah Olga eindringlich an. »Lass mich noch ein, zwei Nächte Wache halten. Ich würde dem Kerl gerne eins auswischen«, sagte er.
    »Wie denn? Du willst von deinem Felsen hinuntersteigen und sagen: ›So, jetzt hab ich dich, du Mistkerl! Halt still, damit ich dir eine scheuern kann!‹«
    Benno winkte ab, hörte gar nicht richtig zu. Er schien sich seiner Sache völlig sicher zu sein und Olga begriff, dass sie ihn niemals würde umstimmen können.
    »Und was machst du, wenn der Hund wieder auftaucht?«, fragte Olga.
    »Der Steinbruch scheint nicht sein Revier zu sein«, wandte Benno ein.
    »Das war meine Hütte bisher auch nicht«, erwiderte Olga.
    »Vielleicht hat jemand, vermutlich Robert, den Köter absichtlich dorthin gebracht. Um dich einzuschüchtern.« Benno schaute auf die Uhr. »Ich besorge mir nachher Pfefferspray. Zufrieden?« Dann nahm er ihre Hände und drückte sie fest. »Olga! Johanna war das nicht. Das weiß ich einfach.«
    »Wir wissen alle, dass Hanna keine Mörderin ist, Benno.«
    Sie hielten sich an den Händen und schauten einander an. In Bennos schwarzen Augen lag Gewissheit, gepaart mit einer Kraft, wie sie typisch für ihn war. Er war gespannt wie ein mongolischer Reiterbogen. Niemand konnte ihn noch aufhalten.
    »Wir machen das. Du und ich. Wir nehmen den Wald gründlich unter die Lupe.« Olga war jetzt ebenso entschlossen wie Benno.
    Vor dem Eingang des Museums verabschiedeten sie sich. Benno drehte sich vorsichtig um. »Eigentlich müsste ich noch bleiben, aber ich brauche dringend eine Stunde Schlaf.«
    »Nimm dein Telefon mit, aber schalte den Ton ab. Nichtauszudenken   …!«, rief Olga ihm nach, bevor Benno um die Ecke verschwunden war. Er nickte und hielt seine Hand ans Ohr. Alles klar!
    Olga hatte ein schlechtes Gefühl dabei, Benno allein oben am riesigen Steinbruch zu wissen. Aber beistehen konnte sie ihm nicht. Sie hatte ganz und gar die Lust verloren, sich im Wald herumzutreiben. Langsam stieg Wut in ihr auf. Sie blieb stehen. Wie kann es sein, dass ich mich in meiner Hütte verbarrikadieren muss, dachte sie. Ich bin dort groß geworden, habe als Kind ganze Nächte draußen verbracht, am Feuer, im Schlafsack, am See. Niemals, niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass das gefährlich sein könnte. Das kann ich nicht zulassen!
    Sie musste die Lösung finden. Aber wo sollte sie anfangen? Bei wem? Sie hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt.

13
    Der Bus

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