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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Abgrundes. Dort legten sie sich, einige Schritte von einander, wie Cuchillo zur Erde, neigten den Kopf vor und blickten hinab.
    Lange Zeit dauerte es, ehe sich einer von ihnen wieder bewegte. Sie hatten beide den Block bemerkt, und beide fühlten beim Anblicke dieses ungeheuren Schatzes das Blut nach ihrem Kopfe steigen und die Adern ihres Gehirns durchrauschen. Beide mußten, wie Cuchillo, die Augen schließen, um nicht vom Schwindel gepackt zu werden, und dennoch flimmerte es hinter ihren gesenkten Lidern in allen Funken und Farben, als befänden sie sich in der Nähe einer Sonne und hätten hineingeblickt in die wirbelnden Gluthen derselben.
    Keiner von ihnen gönnte diesen Block dem andern, und beide beschlossen zu gleicher Zeit, ihn nur allein zu besitzen, selbst wenn dies nur durch einen Mord bewerkstelligt werden konnte.
    Jetzt erhoben sie sich. Eine Minute lang herrschte Schweigen, da Keiner die erste Frage thun wollte. Endlich brach Baraja die Stille.
    »Habt Ihr Etwas gesehen, Sennor Oroche?«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Nichts, als was ich schon von unten gesehen habe: den Wasserfall.«
    »Ah!«
    »Und Ihr?«
    »Nichts Bemerkenswerthes! Die Kaskade, den schäumenden Abgrund, in welchen sie sich stürzt, das Indianergrab und daneben die drei Jäger nebst Arechiza und Diaz.«
    »Ah! Wirklich?«
    »Wirklich!« betheuerte der Lügner.
    »Ich wollte Euch beweisen, daß Ihr nicht die Wahrheit sagt, Don Baraja.«
    Dieser nahm eine beleidigte Miene an.
    »Nicht die Wahrheit, Sennor Oroche? Habt Ihr aus meinem Munde schon jemals eine Lüge vernommen?«
    »Zuweilen, mein lieber Sennor Baraja, doch soll dies kein Vorwurf sein, denn es gibt selbst zwischen Freunden eine Kleinigkeit, welche man aus Rücksicht und zum Nutzen der andern verschweigen muß.«
    »Und Ihr glaubt, ich habe auch jetzt Etwas zu verschweigen?«
    »Das weiß ich nicht; nur weiß ich, daß Ihr nicht die Wahrheit gesprochen habt.«
    »Und könnt mir dies beweisen?«
    »Vollständig, wenn Ihr es mir erlaubt, Don Baraja.«
    »So sprecht!«
    »Ihr sagtet, Ihr hättet die drei Jäger nebst Don Estevan und Diaz gesehen, und habt Euch damit versprochen. Der Ort, an welchem wir hinabsahen und jetzt noch stehen, liegt so seitwärts, daß sich zwischen ihnen und uns das Denkmal erhebt und wir sie also gar nicht zu erblicken vermögen.«
    Baraja sah, daß er zu viel gesprochen habe.
    »Wirklich, Sennor Oroche, Ihr habt Recht! Aber ich bitte Euch, zu glauben, daß ich Euch nicht die Unwahrheit sagen wollte. Die Tiefe unter uns und das Rauschen und Brausen des Falles hat mich schwindelig gemacht und mir die Sinne so verwirrt, daß ich Gestalten gesehen habe, die gar nicht vor mir waren.«
    »Ich bin überzeugt, daß es so ist,« meinte Oroche höflich, obgleich er innerlich eine ganz andere Ueberzeugung hegte. »Aber blickt einmal jetzt hinüber nach der Pyramide! Seht Ihr den Mann, der sie erklimmt?«
    »Cuchillo!«
    »Allerdings! Er huscht über die Plattform und duckt sich nieder.«
    »Jedenfalls will er belauschen, was am Goldthale verhandelt wird!«
    Die beiden Banditen blickten ihm eine Weile schweigend zu. Beide grübelten dabei im Stillen über einen Plan, den andern zu entfernen.
    »Sennor Baraja,« nahm Oroche endlich das Wort; »ich habe einen guten Gedanken.«
    »So laßt ihn hören!«
    »Ich bin überzeugt, daß die Jäger die Bonanza kennen.«
    »Wie kommt Ihr zu dieser Ansicht, die doch schwer zu beweisen ist?«
    »Die mit Gold gefüllten Decken liegen noch bei den todten Pferden. Sie müssen das bemerken und nach dem Ursprunge des Metalles fragen. Und Ihr habt ja ebenso gehört, daß der Riese die Bonanza für Tiburcio Arellanos verlangte.«
    »Ich habe es gehört, aber damit ist ja noch nicht gesagt, daß sie die Lage der Bonanza wirklich kennen.«
    »Sie haben uns ja belauscht, als wir das Gold herausschafften!«
    »Richtig! Es ist kein Zweifel, daß sie die Bonanza kennen; aber was hat das mit Eurem guten Gedanken zu thun?«
    »Sehr viel! Sie werden Don Estevan und Diaz ermorden und das Gold rauben, so daß uns nicht ein Körnchen davon übrig bleibt.«
    »Vielleicht ist es am Besten, dies ruhig abzuwarten!«
    »Auch ich hatte erst diese Meinung; jetzt aber sehe ich ein, daß es besser ist, wenn wir sie hindern, sich an dem Placer zu vergreifen.«
    »Wie wollt Ihr dies anfangen?«
    »Wir müssen schleunigst zum Lager, um die Unsrigen von der bedrängten Lage, in welcher sich Don Estevan und Diaz befinden, zu unterrichten. Sie werden dann

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