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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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die Beherrschung. »Verrückt werde ich!
    Wenn ich sehe, wie du Schweinehund dich weidest an den Qualen, die deine Foltermethoden hervorrufen, wie du dich suhlst im Todesschmerz anderer! Es widert mich an, wie du dich daran aufgeilst, du, du ...«, er holte tief Luft, die Schimpfworte sprudelten nur so aus ihm hervor, »du vermaledeiter, Ekel erregender Pfaffe! Du Geißel Gottes!«
    Für einen Augenblick war Schiefhals sprachlos. Dann quollen ihm die Augen aus den Höhlen. »Wie kannst du es wagen, du hergelaufener Sohn einer unbekannten Hure!«
    Er sprang um den Verhandlungstisch herum und stürzte sich fäusteschwingend auf den Angeklagten. Vitus wich blitzschnell einen Schritt zurück. Instinktiv streckte er die Arme von sich und holte mit der Kette aus, doch Schiefhals war schon heran und landete einen Schlag in seinem Gesicht. Vitus taumelte, riss aber die Arme nach vorn. Die Eisenglieder flogen wie eine Peitsche durch die Luft und krachten klirrend gegen Schiefhals' linke Schulter. Der Vertreter des Bischofs heulte auf und fiel der Länge nach zu Boden. Vitus holte abermals aus ...
    »Haltet ein!« Mateos Stimme klang schrill. Don Jaime nestelte aufgeregt an seinem Zahnstocher. Pater Diego verharrte wie gelähmt.
    Vitus ließ von Schiefhals ab und sprang zur Tür, doch die Wachen versperrten ihm den Weg. Sie richteten ihre Waffen unmissverständlich auf ihn. Dann, plötzlich, traten sie einen großen Schritt auf ihn zu: Die Türflügel in ihrem Rücken waren aufgestoßen worden und hatten sie unsanft nach vorn befördert. Vitus spürte die Spitzen der Hellebarden an seiner Brust. Er sah, wie eine Gruppe von Menschen den Raum betrat, angeführt von einem hoch gewachsenen Mann im weißen Habit mit schwarzem Überwurf. Es war Abt Gaudeck.
    »Ich hoffe, ich komme nicht zu spät«, sagte er, sich umblickend und das Chaos registrierend. »Mein Name ist Gaudeck, ich bin Abt auf Campodios.« Er machte eine Handbewegung zu der Gruppe, die ihn begleitete: »Dies ist Pater Thomas, der Prior und Arzt unseres Klosters, dies Pater Cullus und dies der Bauer Carlos Orantes mit seinen Söhnen Antonio und Lupo.« Die Vorgestellten verbeugten sich. Gaudeck sprach weiter, wobei er Mateo höflich anblickte: »Ich darf annehmen, dass Ihr Mateo de Langreo y Nava seid, Bischof von Oviedo, von Seiner Heiligkeit Gregor XIII. berufener und von Seiner Majestät König Philipp II. eingesetzter Großinquisitor Kastiliens.«
    »So ist es, ehrenwerter Abt«, erwiderte Mateo steif. Die Aufzählung seiner Titel und Ämter war ihm nicht unangenehm, nichtsdestoweniger hatte der Eindringling das Durcheinander im Saal nur noch gesteigert, und Unordnung war ihm ein Gräuel. »Ich weiß nicht, ob es Euch bekannt ist, aber ich führe gerade einen Inquisitionsprozess durch.«
    »Genau deshalb bin ich hier.«
    »Wie meint Ihr?«
    »Ich bin gekommen, weil mir berichtet wurde, dass hier ein junger Mann namens Vitus der Ketzerei angeklagt werden soll. Dem ist doch so?«
    »Und wenn dem so wäre?«
    »Würdet Ihr einem katastrophalen Irrtum unterliegen, Exzellenz. Ich bin hier, um Euch davor zu bewahren. Zusammen mit meinen Mitbrüdern und Freunden.«
    Mateos Ton nahm eine ironische Färbung an: »Ich danke Euch für diesen Akt der Nächstenliebe, lieber Abt, aber ich denke, er ist nicht notwendig.«
    »Das wird sich gleich herausstellen!« Gaudeck reckte das Kinn vor: »Vitus, den Ihr hier anklagt, hat zwanzig Jahre auf Campodios gelebt. Eine lange Zeit, in der es weiß Gott Gelegenheiten genug gab, sein Wesen und seinen Charakter genau kennen zu lernen. Ich sage Euch«, Gaudeck betonte jetzt jedes Wort, »es gibt keinen im Kloster, der nicht bei Gott dem Allmächtigen schwören würde, dass er kein Ketzer ist.«
    »Ehrwürdiger Vater!« Überwältigt von den Ereignissen trat Vitus auf den hoch gewachsenen Gottesmann zu, bekreuzigte sich und kniete nieder: »Ich bin so froh, dass Ihr gekommen seid! So froh! Ich weiß nicht, wie ich Euch danken soll!« Gaudeck zog ihn an der Kette hoch. »Das war selbstverständlich, mein Sohn.«
    In Vitus' Augen standen Tränen: »Ich danke auch Euch, Pater Thomas und Pater Cullus und ebenso euch, meine Freunde.« Bischof Mateo klopfte mehrmals mit spitzem Knöchel auf die Tischplatte. »Wenn Ihr gestattet, würde ich den Prozess gern fortsetzen.« Er beugte sich nach vorn, wo Schiefhals sich noch immer am Boden krümmte. »Seht Ihr Euch in der Lage, die Verhandlung weiterzuführen, Pater?«, fragte er.
    »Das geht auf

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