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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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beobachteten alle, wie der Schlangenmensch ein paar Mal hin-und herruckelte, bevor er ganz verschwunden war. Arturo sprang hinzu und legte auf den Würfel einen Deckel, der nahtlos abschloss. Dann hoben er und Santor die Kiste an und trugen sie hinter die Wagen.
    Orantes und die Seinen klatschten ausgiebig.
    »Ihr schuldet mir einen Viererreal, Herr Magister«, sagte Arturo, der schon wieder herbeigesprungen war, grinsend. »Ihr habt die Wette verloren.«
    »Bei Gott, das habe ich.« Der kleine Gelehrte blickte verlegen um sich. »Vitus, ich fürchte, ich muss dich um einen Viererreal aus unserer Reisekasse bitten.«
    »So, musst du das? Tja, wenn das so ist, gebe ich dir einen. Allerdings gehst du recht großzügig mit dem Geschenk von Abt Gaudeck um.«
    »Tut mir Leid.«
    Arturo rief fröhlich: »Wenn's nach mir ginge, könnten wir öfters solche Wetten abschließen! Vielleicht schon bei der nächsten Nummer?« Er sprang wieder in die Mitte des Platzes und warf sich in Positur: »Hochverehrtes Publikum! Erlebt jetzt den Großen Zerrutti mit seiner liebreizenden Assistentin Maja!«
    Zerrutti war ein Mann von mittlerer Größe mit kleinen, schwarzen Vogelaugen und bemerkenswert winzigen Händen. Langsamen Schrittes betrat er den Platz, von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Sein Hemd wies eine Unmenge glitzernder, das Auge irritierender Pailletten auf. Das Haupt wurde von einem mächtigen Turban gekrönt, in dessen Mitte ein roter Glasstein glitzerte.
    Maja trug ein lindgrünes Kleid, das ihre Wespentaille besonders gut zur Geltung brachte. Sie schob einen sargähnlichen Kasten auf vier Rädern heran und stellte ihn nahe der Feuerstelle ab.
    Zerrutti verneigte sich gemessen.
    »Der Große Zerrutti wird jetzt den Leib der Jungfer Maja in der Mitte durchsägen, für alle erlebbar, für alle sichtbar, für alle - furchtbar! So furchtbar, dass jedem von uns die Schauer über den Rücken laufen werden, und doch wird der Jungfer kein Haar gekrümmt!«, rief Arturo mit lauter Stimme. Sein Blick traf den des Magisters.
    »Wer mir nicht glaubt, der sage es jetzt. Als Präsentator der Artistas unicos nehme ich jede Wette an.«
    Der Magister schwieg. »Nun denn, Musik!« Arturo entfernte sich geschmeidig.
    Santor und Tirzah spielten eine schwere, Unheil verkündende Weise, während Zerrutti sich abermals verneigte und die Arme vor der Brust kreuzte. Stille trat ein.
    Nach einer Zeit, die allen wie eine Ewigkeit vorkam, ging Zerrutti auf Maja zu und blieb zwei Schritte vor ihr stehen. Plötzlich schoss seine Rechte vor, sein Zeigefinger wies direkt zwischen ihre Augen. Ein unterdrückter Schrei entrang sich den Lippen der Jungfer, ihre Augen schlossen sich wie in Trance, während ihr Oberkörper zu zittern begann. Einige Augenblicke später stand sie wieder still. Zerrutti nahm den Arm herunter, schritt um sie herum, griff ihr mit der Rechten in den Nacken und zog sie zu sich heran. Sie fiel ihm entgegen, steif wie ein Brett. Mit einer raschen Bewegung fing er sie auf.
    »Sie befindet sich im Wachschlaf«, flüsterte der Magister Vitus ins Ohr.
    »Oder sie tut nur so.«
    Zerrutti war mittlerweile mit Maja auf seinen Armen hinter den Kasten getreten. Tirzah schlug einen Trommelwirbel, der sich stetig steigerte und abrupt endete, als der Magier seine Assistentin in den Kasten gelegt hatte. Anschließend ging Zerrutti dreimal um den Kasten herum und blieb, dem Publikum zugewandt, davor stehen. Mit einer fließenden Bewegung griff er sich ins rechte Ohr und zog ein Stück schwarzes Tuch daraus hervor. Wieder und wieder griff er zu, und jedes Mal kam der Stoff weiter heraus. Schließlich hielt er das Tuch komplett in der Hand und warf es hoch in die Luft. Wie auf Wellen senkte sich der federleichte Seidenstoff herab und bedeckte den Kasten auf ganzer Länge. Alle Augen hatten fasziniert das Fallen des Tuchs verfolgt, so dass niemand zu sagen vermocht hätte, wie plötzlich die große Säge in Zerruttis Hand gekommen war. Der Magier setzte das Werkzeug an, und tiefer und tiefer drang es durch den Stoff und durch das Holz - und zum grenzenlosen Erstaunen des Publikums waren weder Geräusche zu hören noch Späne zu sehen. Dennoch konnte kein Zweifel daran bestehen, dass Maja in dem Kasten lag und die Säge sich durch ihren Körper fraß. Endlich hatte Zerrutti den Kasten zerteilt. Er trat nach vorn und stellte sich so, dass er den Sägeschnitt mit seinem Körper verdeckte. Theatralisch breitete er die Arme aus, murmelte eine

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