Der Wanderchirurg
Militärverbände aufgestellt, wodurch sich die Verteidigungsaufgaben der Bürger weitgehend erledigten.« Arturo seufzte. »Seitdem besteht für den braven Kaufmann oder Handwerker kaum eine Notwendigkeit mehr, die Kunst des Fechtens zu erlernen.«
»Verstehe«, sagte Vitus. »Schade, dass Euer Talent jetzt verkümmert.«
Arturo lächelte. »Ganz so ist es nicht, hin und wieder zwingen mich die unsicheren Zeiten zum Kampf, meistens genügt dann aber mein Dussack.«
»Was ist das - ein Dussack?« Der Magister beugte sich neugierig vor. Im selben Augenblick drang der quietschende Laut eines geblasenen Halms überlaut an sein Ohr. Er wandte sich ärgerlich um. Gagos Augen blitzten vor Stolz. Mit seiner geheilten Oberlippe hatte er es geschafft, dem Gras diesen Ton zu entlocken.
»Der Dussack ist ein hölzernes Fechtgerät. Man sagt, er wäre zuerst von den böhmischen Federfechtern auf Schauturnieren benutzt worden, bevor er sich nach Deutschland und Italien verbreitete.«
»Besteht nicht die Gefahr, dass ein Gegner mit Stahlklinge Euren hölzernen Stock zerschlägt?«, fragte Vitus. »Nein, denn bei aller Bescheidenheit darf ich sagen, dass ich zu schnell für meine Gegner bin, und selbst wenn ihre Klinge bei einer Parade auf meinen Dussack träfe, so würde sie ihm nichts anhaben können, denn er ist aus Pernambuk.« »Pernambuk?« »So nennt man ein besonders hartes Holz, das in der Neuen Welt wächst. Es ist ein Material, mit dem man sich ideal verteidigen kann, ohne Gefahr zu laufen, jemanden zu töten. Das Einzige, was mein Dussack hinterlässt, sind blaue Flecken oder eine gebrochene Rippe, genug allerdings, damit meine Kontrahenten eine wichtige Lehre mit nach Hause nehmen. Sie lautet: Unterschätze niemals deinen Gegner.«
»Unterschätze niemals deinen Gegner! Wie wahr, wie wahr!« Orantes, der in diesem Augenblick mit Ana zurückkam, hatte den letzten Satz des Fechtmeisters gehört. Der Landmann war glänzender Laune. Offenbar hatte Tirzah ihm für die Zukunft nur Positives prophezeit.
»Doch sollte man seinen Hunger ebenso wenig unterschätzen! Ich habe ein riesiges Loch im Magen und muss jetzt unbedingt heim. Ich ...« Ein quietschender Grashalm übertönte seine Worte. »Ruhe, zum Donnerwetter!«, polterte er los, doch als er sah, dass Gago der Urheber des schauerlichen Lautes war, zog Milde über seine Züge. »Wo war ich? Ach ja: Ana, Weib, was bringst du heute Abend auf den Tisch?« Während Ana antwortete, bearbeitete er bereits kraftvoll Arturos Hand.
»Ich danke Euch für den gelungenen Nachmittag! Ihr und die Euren dürft gerne noch ein paar Tage hier verweilen, ich sagte es schon, aber gebt mir Bescheid, wenn Ihr wieder aufbrecht. Gott befohlen für heute.«
»Ich danke Euch ebenfalls, Senior Orantes.« Arturo verneigte sich tief.
Nachdenklich blickte er dem Landmann und seiner sich entfernenden Familie nach, während Anacondus an seine Seite trat.
»Ich würde mich nicht wundern«, wandte er sich an den Schlangenmenschen, »wenn unsere Truppe bald Zuwachs bekäme.«
»So, nun geht's mir wieder besser«, verkündete Orantes, während er sich behaglich in seinem Stuhl zurücklehnte. »Deine Abendmahlzeit war gut und reichlich, Weib.« Ana errötete sanft vor Freude. Es hatte einen kräftigen, mit Speck angereicherten Bohneneintopf gegeben, der aus einer riesigen Schüssel gegessen wurde, die in der Mitte des Tisches stand. Jedes Familienmitglied hatte sich mit seinem eigenen Löffel daraus bedient, zügig und ohne viel zu reden. Man musste schnell sein im Hause Orantes, wollte man genügend von Anas schmackhafter Kost abbekommen. Der Hausherr ergriff ein Fladenbrot von den Ausmaßen eines Fassdeckels, riss es mehrmals durch und gab jedem davon. Alle am Tisch begannen einträchtig, die Schüssel auszuwischen. »Gib mir mal die Weinflasche, Antonio.« Antonio gehorchte umgehend. Orantes schenkte Vitus, dem Magister, den Zwillingen und sich selbst ein.
»Willst du auch, Weib?«
»Nein, Mann.« Sie hob abwehrend die Hände.
»Gut.«
Der Hausherr hob seinen Becher. »Ich trinke auf die gute Kornernte in diesem Jahr und danke dafür Gott dem Allmächtigen, ohne dessen Gnade sie nicht möglich gewesen wäre, wie überhaupt wir für alles Dank zu sagen haben, was er uns gab - auch diese Mahlzeit.« Praktisch wie er war, hatte Orantes gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
»Salud!«
Er trank mit langen Zügen. Die anderen am Tisch folgten seinem Beispiel.
»Gibt es außer der
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